Minuten bei Gott – auf welchen Beruf es jetzt ankommt
29. April 2020
Von Stephan Bickhardt
Gott,
Fragen treiben manchmal
Spott mit uns
und kehren wieder.
Es gibt nicht nur eine Krise
unter uns Menschen
auf deiner Erde.
Wir wünschen uns Klarheit
und sehnen Klärung herbei.
Impfstoff, Umweltstandards und
lohnende Verhältnisse
sehnen wir herbei.
Du weißt uns zurück
nicht ins Nirgendwo hin –
zu uns selbst.
Ich werde gewahr
zu dir zu gehören.
Du verleihst Kraft,
an der ich mich freue.
Amen.
Über Berufe
Vor einigen Tagen sagte ein technischer Mitarbeiter einer Kirchgemeinde: „Jetzt bei Corona sieht man, wer wirklich wichtig ist“. Der kluge und zurückhaltende Mensch meinte, jetzt sehen wir, auf wen es schon immer ankommt. Mich hat dieser Satz getroffen. Kommt es auf mich womöglich nicht an, weil ich nicht im Gesundheitswesen, im Pflegeheim oder in unmittelbarer Betreuung von Kindern stehe?
Beim Überdenken seiner Worte wird mir bewusst, der Mitarbeiter selbst gehört auch nicht zu einer Berufsgruppe, auf die es jetzt ankomme. Darum meint er wohl etwas anderes. Derzeit kann uns bewusst werden, dass Berufsarbeit die Gesunderhaltung und den Schutz des Menschen und die Freiheit des anderen immer ermöglichen soll. Ist der Mensch in seiner Arbeit ein getriebener? Oder bin ich Teilnehmer, Teilnehmerin neben anderen? Worauf kommt es an? Könnte es sein, dass wir für die unterschiedlichen Erwerbstätigkeiten ganz besonders heute das eine Ethos brauchen?
Das Ende der Arbeitsgesellschaft wird prophezeit (Hannah Arendt). Und längst nicht alle verdienen Geld im Schweiße ihres Angesichts (1. Mose 3,19). Auf eine Spur der Erklärung und Weisung bringt die Losung des Tages aus dem Predigerbuch des Alten Testaments 9,10: ALLES, WAS DIR VOR DIE HÄNDE KOMMT, ES ZU TUN MIT DEINER KRAFT, DAS TU.
Von einer Unmittelbarkeit des Tuns ist hier die Rede, die sich durchaus in der Berufsarbeit zeigen kann. Gerade in der Zeit einer Krise kann das, was vor der Hand oder auf der Hand liegt, sofortiges Tun eröffnen. Ich denke an Unternehmen und ihre Mitarbeitenden, die sich umgestellt haben, die Ressourcen einsetzen, um Mitmenschen zu helfen, einzukaufen oder Essen auszufahren oder Masken zu nähen oder ganze Produktionsketten aufbauen, um medizinische Geräte herzustellen und vieles mehr. Von einem Handwerk im tatsächlichen und übertragenen Sinn kann hier gesprochen werden. Und ganz unmittelbar gehört jetzt zu jeder Berufsarbeit: erklären, beraten, Zeit haben für Mitarbeitende und verzweifelte Menschen.
Der Berufs-Gedanke (Max Weber), der gern dem protestantischen Lebensverständnis nachgesagt wird, erfährt gerade eine Neubelebung. Und das, was wir der Hände Arbeit nennen – dazu gehört auch die Arbeit am Schreibtisch – ist nur im Plural zu denken. Es gibt nicht nur den einen Beruf, nein, es gibt viele Berufe, aber eine Berufung.
Im tiefsten Grunde nehmen wir teil an Gottes Schöpfung, gerade im Dienst am Nächsten. Darum kann Arbeit und Arbeitszeit nicht alles sein. Teilnehmende an der Schöpfung suchen den anderen und achten auf Grenzen. Über das Werk der Hände kann gesagt werden: Diese Hände gehören nur einem Menschen, einem einmaligen (Paul Celan). Sich dieser meiner einmaligen Aufgabe bewusst zu werden, ist jetzt die Zeit. Und die Kraft, die dem Menschen je und je zugeeignet ist, wird entdeckt.