Neuigkeiten
Impressionen aus der Ausstellung „Moving Silence“ und vom Künstlergespräch mit Reinhard Pontius
Die Ausstellung „Moving Silence – Bewegte Stille“ mit Exponaten von Katja Maria Lewek und Reinhard Pontius kann noch bis zum 11. Juni 2023 im Klosterhof St. Afra in Meißen besichtigt werden.
Der Besuch der Ausstellung ist von MO – FR während der Geschäftszeiten möglich. Da im Kreuzganghaus auch Andachten und Veranstaltungen durchgeführt werden, während derer eine Besichtigung nicht möglich ist, melden Sie sich vorher bitte unter 03521-4706-22 an.
#VonWegenAnders – Jugendpolitik Ost. Thesen zum Aufwachsen und zur Jugendpolitik in Ostdeutschland veröffentlicht.
Im Rahmen eines parlamentarischen Frühstücks mit Bundestagsabgeordneten hat die Evangelische Akademie Sachsen im Verbund mit der Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung ein Projekt abgeschlossen und Thesen für eine andere Jugendpolitik in Ostdeutschland entwickelt. Im Folgenden sind alle zentralen Informationen und Forderungen einsehbar:
- Thesenpapier und Forderungen #VonWegenAnders – Jugendpolitik Ostdeutschland
- Projektwebsite mit allen Informationen, Interviews und Materialien HIER
- Pressemitteilung der Evangelischen Akademie Sachsen
Das SachsenSofa in Meißen: „Muss auf Ostdeutschland mehr gehört werden?“
Über 100 Menschen kamen am 24. April 2023 ins Theater in Meißen, um mit Wolfgang Thierse, Bettina Westfeld und Alexandra Prinzessin zur Lippe zu diskutieren.
Die Debatte können Sie hier nachschauen.
Das SachsenSofa in Augustusburg
Auch bei dem Thema Migration und Asyl ist eine gepflegte Debatte in Sachsen möglich. Das hat das SachsenSofa in Augustusburg unter dem Titel „Offene Arme, offener Arbeitsmarkt? Wie Integration gelingt“ am 28.2.2023 im Alten Lehngericht in Augustusburg gezeigt.
Hier ein paar Eindrücke aus den Medien:
Bericht über das SachsenSofa in Augustusburg in der Sächsischen Zeitung
Innenminister über Asylpolitik: „Brauchen Humanität
und Ordnung“
Bei einer Diskussionsrunde am Dienstagabend wird Innenminister Armin Schuster teils hart
kritisiert. Er spricht von einem Ende der Aufnahmemöglichkeiten.
Von Annette Binninger, 01.03.2023
Es dauert nur wenige Minuten, bis die Dünnhäutigkeit des Innenministers völlig überraschend vor dem Publikum zum Ausbruch kommt. Kurz
zuvor noch hatte Armin Schuster in aller Ruhe, auf dem mit Sachsen-Wappen bezogenen Sofa sitzend, den Zuhörern ruhig und geduldig wie ein
liebevoller Nachhilfelehrer den Unterschied zwischen den unterschiedlichen Gruppen von Flüchtlingen und Zuwanderern erklärt. „Wir brauchen
Humanität und Ordnung“, sagt Minister Schuster. Er stehe für das deutsche Recht, fügt er hinzu – begrenzen und steuern, das gehöre auch dazu.
Als der SPD-Landtagsabgeordnete Frank Richter, der neben Schuster auf dem Sofa sitzt, ihm seine Erfahrungen im Fall von zwei pakistanischen
Flüchtlingen in Sachsen entgegenhält („Habe bei Behörden weder Humanität noch Ordnung festgestellt“), verteidigt Schuster seine Mitarbeiter,
wirft Richter vor, sie pauschal beschimpft und jegliche Behördenarbeit schlecht zu reden. „Ich mache diese Selbstkasteiung nicht mit“, zeichnet
der Innenminister daraufhin ein ganz anderes Bild von Deutschland und dem Umgang mit Asyl. „Wir haben das liberalste Asylsystem, die
höchsten Sozial-Standards, die geringste Rückführungsquote – wie können wir uns da selbst attestieren, wir seien flüchtlingsfeindlich.“Auch Sachsen habe kein Humanitätsproblem. Richter nutze „ganz brutal“ den Vorteil, dass er als Innenminister nicht öffentlich über bestimmte
Asyl-Einzelfälle sprechen dürfe. Von wem er da gerade spricht, sagt Schuster nicht. „Ich habe genaue Fallkenntnisse, sie nicht“, kritisiert er
Richter gereizt. „Ich mache heute Abend nicht dieses Spiel mit, wie schlimm wir doch sind.“
Landrat wünscht sich Neustart beim Thema Migration
Es ist ein Abend der Diskussionsreihe „Sachsensofa“, das Möbelstück mit dem markanten Bezug mit Sachsen-Wappen, zieht seit Monaten durchs
Land. Getragen wird die Reihe von der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen und der Evangelischen Akademie Sachsen.
An diesem Dienstagsabend in Augustusburg geht es um Asyl und Zuwanderung. „Offene Arme, offener Arbeitsmarkt? Wie Integration gelingt“, ist
die Veranstaltung überschrieben, an der neben Schuster und Richter auch Dirk Neubauer teilnimmt, der erst im August gewählte parteilose
Landrat des Kreises Mittelsachsen.
Die Differenzierung der Flüchtlings-Gruppen sei wichtig für das Verständnis, gesteht er Schuster zu. „Ich würde mir einen Neustart wünschen, wie
wir mit dem Thema Migration umgehen wollen“, sagt Neubauer. „Migration wird uns die nächsten Jahrzehnte begleiten, da müssen wir beim
Thema Integration dringend dazulernen“, mahnt er die Zuhörer. Auch bei der Aufnahme von ukrainischen Kriegsflüchtlingen entwickle sich „die
Unterstützungsbereitschaft rückwärts“, warnt Neubauer vorsichtig. „Dabei leben wir doch in einer Region, die auf Zuwanderung ganz dringend
angewiesen ist.“
Da müsse man nur die demografische Entwicklung anschauen – der Landkreis werde in den nächsten Jahren bis zu 25 Prozent seiner Einwohner
verlieren. Wenn er sich bei Unternehmern umhöre, dann höre er mittlerweile bereits: „Fachkräftemangel war gestern, jetzt geht es um
Arbeitskräftemangel“, warnt Neubauer. Entscheidend sei es, die Menschen möglichst schnell in Arbeit zu bringen. „Wir müssen ins Tun kommen,
ansonsten verwahren wir Menschen nur.“ Der von vielen geforderte Bau von Zäunen entlang der europäischen Grenzen nütze nichts. „Wir hoch
soll denn dieser Zaun sein, wenn nicht einmal das Mittelmeer schützen kann?“
Innenminister: Zuwanderung muss „geordnet“ ablaufen
Zäune sehe auch er nicht als geeignetes Mittel, stimmte Schuster Neubauer zu. Der Innenminister würde sich aber mehr Vereinbarungen mit
anderen Ländern wünschen wie beim „Türkei-Deal“ von Ex-Kanzlerin Angela Merkel. Durch Stipendien, gezielte Arbeits- und
Einwanderungsangebote ließe sich Zuwanderung besser steuern. Dann könnte auch die Rücknahme von abgelehnten Asylbewerbern in ihren
Heimatländern in diesen Abkommen enthalten sein. Auch die Menschen in Sachsen seien für Zuwanderung, aber sie müsse eben geordnet
ablaufen. Bei freiwilligen Aufnahmeprogrammen müsse die Bundesregierung jetzt dringend „auf die Bremse gehen“, fordert Schuster.
Man dürfe nicht nur die „Nützlichkeit von Flüchtlingen“ als Kriterium für ihre Aufnahme sehen, betont der frühere Bürgerrechtlicher Frank
Richter. „Ich glaube, wir könnten Integration besser, aber das ist nicht nur eine Aufgabe von Behörden und Politik, sondern eine gesellschaftliche
Aufgabe“, appelliert Richter.
Auch da wird der Innenminister noch einmal emotional. Er habe quasi ein sächsisches Chancenaufenthaltsgesetz „mit der Brechstange
durchgesetzt“, sagt Schuster energisch. „Das ist juristisch sehr, sehr grenzwertig“, räumt er selbst ein. „Nahe an Rechtsbeugung.“ Kurz
zusammengefasst bedeute sein an alle Behörden ergangener Erlass in Ergänzung des Anfang des Jahres in Kraft getretenen Bundesgesetzes zum
Umgang mit langjährig geduldeten Asylbewerbern, dass jeder, der hier arbeite, Deutsch spreche, sich integriere und bei dem die Identität geklärt
sei, eine Chance auf dauerhaftes Leben in Deutschland erhalten könne.
Schuster betont, dass er glaube, dass er zwei Fragen entscheidend sei für das weitere Vorgehen in der Flüchtlingsproblematik: „Was ist
gesellschaftlich akzeptiert und wie ist unsere administrative Aufnahmefähigkeit?“ Er bekomme das Signal von den sächsischen Kommunen, dass
sie Ende des zweiten Quartals an ein Ende ihrer Aufnahme-Möglichkeiten kommen würden. Das müsse man dringend berücksichtigen. Eine
Unterbringung in Turnhallen oder Zelten wolle er vermeiden.
Quelle: https://www.saechsische.de/innenminister-armin-schuster-verteidigt-sachsens-fluechtlingspolitik-5827415.html
Bericht über die Ausstellungseröffnung „Meine Ukraine!“ in der Sächsischen Zeitung
Meißen: Ein Platz für Gefühle
Im Meißner Ratssaal wurde die Ausstellung „Meine Ukraine!“ eröffnet. Der Andrang zur
Vernissage war groß. Die Bereitschaft mitzumachen auch.
Von Andre Schramm, 26.02.2023
Meißen. Man hat es manchmal, dieses Gefühl, jemanden unbedingt etwas erzählen zu wollen. Etwas, das einen beschäftigt: ein Problem, ein
Erlebnis oder vielleicht der Plot eines guten Films. Dieses Gefühl ist bei vielen ukrainischen Kriegsflüchtlingen allgegenwärtig. Und es ist stark.
Nur ist es in ihrem Fall kein Film, sondern traurige Realität: Krieg in der Heimat. Leid, Wut, Schmerz, Ungewissheit, aber auch Dankbarkeit und im
besten Fall ein bisschen Hoffnung tragen sie seit einem Jahr mit sich herum. Es sind schreckliche Bilder dabei. Bilder, die sich irgendwo einnisten.
Dinge, die man nicht hören und erst recht nicht erleben will. Aber trotzdem da sind. So einschneidend, dass man sie vermutlich den Rest sein
Leben nicht mehr los wird. Auch wenn das gerade erst fünf, sieben oder zehn Jahre alt ist.
Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum die Evangelische Akademie, der Meißener Kulturverein und das Bunte Meißen mit ihrer Idee offene
Türen einrannten. „Wir wollten jenen Ukrainern, die nach Meißen und Umgebung geflohen sind, eine Stimme geben. Das sind gegenwärtig mehr
als 2.600 Menschen“, sagte Julia Gerlach von der Evangelischen Akademie zur Eröffnung der Mitmach-Ausstellung.
Ehemann verloren, Operation, FluchtSo wurde zum Jahresanfang ein entsprechender Aufruf gestartet – in Deutschkursen und Telegram-Gruppen. Die Resonanz an Beiträgen war so
groß, dass am Ende nicht alle eingereichten Arbeiten in den großzügigen Ratssaal passten. Es sind Fotos, Collagen, Berichte, Gedichte und Bilder,
wie das von Vlad zum Beispiel. Es zeigt einen Traktor mit ukrainischer Fahne, der einen russischen Panzer abschleppt. An einer anderen Stelle ist
das Foto einer Frau zu sehen, die in einem Bett liegt. Sie hat eine große Einschusswunde in der Schulter. Ihr Name ist Alina Kukina. Ihre Familie,
so ist darunter zu lesen, geriet im Bezirk Buchansky unter Beschuss. Ihr Ehemann hat nicht überlebt. Sie und ihre Tochter mussten operiert
werden. Sie leben heute in Radebeul.
Ein junges Mädchen vor Porträts ukrainischer Soldaten. © Claudia Hübschmann
„Diese Perspektive ist wichtig für die Substanz in der Debatte, die wir hierzulande führen“, findet Julia Gerlach. „Hinter jedem einzelnen Beitrag
steht ein Mensch“, fügt die Organisatorin noch hinzu. Vom Interesse an der Schau ist nicht nur sie überwältigt. Weit mehr als 100 Gäste sind in
den Ratssaal gekommen, darunter auch viele Ukrainer. Eine von ihnen ist die Anthropologin Anna Oksiutovych. Sie arbeitete vor Kriegsbeginn im
„War Childhood Museum“ in Kiew.
Museum dokumentiert Kindheit in Kriegszeiten
Das Museum wurde 2020 infolge des Kriegs im Donbass (2014) gegründet und sammelt Berichte, Erlebnisse, Fotos von Kindern, die in
Kriegszeiten aufgewachsen sind, auch im Zweiten Weltkrieg. „Wir versuchen zu zeigen, was es heißt, als Kind im Krieg groß zu werden. Die jungen
Menschen wachsen ja trotzdem heran“, sagt sie. Die Ausstellung in Meißen, so die Wissenschaftlerin weiter, erinnere sie sehr an ihre Arbeit früher
in Kiew. Auffällig ist tatsächlich, dass viele Exponate von Kindern stammen. „Ich denke und hoffe, dass dieses Projekt ein wenig hilft, diese
schweren Zeiten zu überstehen“, sagt Frau Oksiutovych.
„Ich sehe sehr viele Kinder hier im Raum. Sie sind in Sicherheit, und beispielhaft dafür, dass die Ukraine eine Zukunft hat“, sagt Daniel Bahrmann.
Die Ausstellung, so erzählt er, sei noch längst nicht fertig und wachse stetig weiter. Bahrmann sieht das gesamte Projekt als wichtigen Beitrag,
um für Verständnis zu werben, dass die Menschen, die zu uns gekommen sind, etwas Zeit brauchen, um hier anzukommen und ihre Erlebnisse zu
verarbeiten.
Die Ausstellung ist am Freitag ins Foyer des Rathauses umgezogen. Dort ist sie bis zum 24. März zu sehen. Danach soll sie nach Nossen
weiterziehen.
Quelle: https://www.saechsische.de/ausstellung-meine-ukraine-meissen-5825443.html
Ausstellung „Meine Ukraine!“ im Meißen-TV
Den Fernsehbeitrag können Sie hier nachsehen.
Ausstellung: Meine Ukraine!
Am Donnerstag 18 Uhr wird im Meißner Rathaus die Ausstellung „Meine Ukraine! Ukrainische Stimmen zu Krieg, Vertreibung und Schmerz“ eröffnet. André Schramm von der Sächsischen Zeitung hat im Vorfeld einige der Protagonistinnen und Studienleiterin Dr. Julia Gerlach getroffen. Hier können Sie den SZ-Artikel lesen:
Ukrainer in Meißen: „Bitte gebt uns etwas Zeit“
Das Herz sagt gehen, die Vernunft bleiben. Die Zerrissenheit geflohener Ukrainer ist groß. Eine Ausstellung im Meißner Rathaus gibt nun Einblick in ihre Lebens- und Gefühlswelt.
Von Andre Schramm
Meißen. Daniel Bahrmanns Studio am Donnerstagnachmittag: Neun Ukrainer sitzen an einem langen Tisch. Mit einer Ausnahme alles Frauen. Sie stammen aus Meißen, Radebeul und Dresden. Jede(r) stellt sich kurz vor. Die Jüngste in der Runde ist die achtjährige Zlata. Sie schämt sich etwas. Nicht schlimm. Die Älteste heißt Nadezhda Guboglo. Die 63-Jährige hatte ein schönes Leben. Sie arbeitete in einem gutbezahlten Job in Mariupol. Was sie erlebt hat, kann man sich nicht vorstellen.
Nadezhda Guboglo erzählt von Leichen auf den Straßen. „Da lagen Menschen herum, die man kannte“, sagt sie unter Tränen. Sie erzählt von Kindern, denen die Gliedmaßen fehlten, von Russen in ukrainische Uniformen, die gezielt junge Männer erschossen haben. Sie berichtet auch, wie es ist ohne Strom, Wasser und Gas wochenlang in Kellern zu hausen mit schreienden Babys. Kein Strom, kein Wasser, kein Gas. „Wir mussten zum Kochen rausgehen. Die Gefahr, dass man nicht mehr zurückkommt, war riesig“, sagt sie. Nach einer Weile, habe man schon am Geräusch erkannt, um welche Art von Bombe es sich handelt.
Ihr Neffe ist noch dort. Vor zwei Monaten hat sie das letzte Mal von ihm gehört. Ob er noch lebt? Im März 2022 haben Nadezhdas Nachbarn die Stadt verlassen. Ein Platz im Auto war noch frei. Sie stieg ein. „Es ist eigentlich ein Wunder, dass sie heute bei uns am Tisch sitzt“, findet Nataliya Vogel. Sie ist ebenfalls gebürtige Ukrainerin, lebt aber schon seit 20 Jahren in Meißen und hilft beim Übersetzen.
Wie geht es Nadezhda Guboglo ein Jahr nach Kriegsausbruch? „Ich selbst bin körperlich am Leben. Leben tue ich aber nicht“, meint die Dame. Frau Guboglo ist trotzdem dankbar – für die Hilfe, die ihr in Deutschland widerfahren ist. „Ohne die Unterstützung der Menschen hier wäre ich wahrscheinlich verrückt geworden“, sagt die Erwachsenen-Psychologin. Und obwohl sie sich jedes Mal schlecht fühlt, wenn sie über ihre Erlebnisse spricht, hat sie sich bereit erklärt, Teil der Ausstellung „Meine Ukraine!“ zu sein. Sie will, dass man erfährt, was in ihrer Heimat passiert und hat ihre Geschichte aufgeschrieben.
Mehr zuhören, statt belehren
„Die Idee war, den Menschen aus der Ukraine, die zu uns gekommen sind, eine Stimme zu geben, ihr Leid, ihren Schmerz, ihre Ängste, aber auch ihre Hoffnungen für die Zukunft sichtbar zu machen“, erklärt Julia Gerlach von der Evangelischen Akademie Sachsen. Die Debatte hierzulande werde ihrer Ansicht nach sehr egoistisch geführt. „Da geht es in der Regel darum, welche negativen Folgen der Krieg für uns hat. Das Leid der Menschen vor Ort spielt dabei kaum eine Rolle“, so Gerlach weiter. Man müsse künftig mehr zuhören, anstatt zu belehren, schiebt sie hinterher. Um sich mit dem Thema ernsthaft auseinanderzusetzen, hatte sich das Projekt-Team, zu dem u. a. auch das Bündnis „Buntes Meißen“ und der Meißener Kulturverein gehören, für das Format einer Mitmach-Ausstellung entschieden.
Man besuchte Deutsch- und Integrationskurse im Landkreis Meißen, stellte das Projekt vor. „Die Träger, darunter die Volkshochschule, die Euro Schulen und andere, waren kooperativ und haben uns den Zugang ermöglicht. Zudem haben wir mit Handzetteln den Aufruf verteilt und über ukrainische Mitstreiterinnen in die ukrainische Community über Telegram geworben“, so Gerlach. So sind inzwischen viele, sehr unterschiedliche Beiträge zusammengekommen: Fotos, Bilder von Erwachsenen und Kindern, Gedichte, Prosa-Texte, sowie ein paar Audio- und Videoaufnahmen.
Neben Nadezhda Guboglo sitzt Iryna, 35, Mutter von zwei Kindern (13 und 8 Jahre). Sie stammt aus Tschernihiw im Norden der Ukraine. Am 25. Februar hatten sie die Stadt verlassen und sich in dem nahegelegenen Dorf Yahidne im Keller eines Hauses versteckt. „Jedes Mal, wenn es eine Explosion gab, habe ich mich auf meine Kinder geschmissen“, erinnert sie sich. Einen knappen Monat ging das so. Der Vater hat sie schließlich an die rumänische Grenze gefahren. Er blieb, sie kamen nach Dresden. Silvester hat sich die Familie in Lwiv getroffen. Irynas Zustand? „Meine Kinder besuchen die Schule. Das läuft gut. Ich selbst lebe von Tag zu Tag und würde sofort zurückgehen. Mit meinen Kindern kann ich das aber nicht“, sagt sie. Iryna ist gerade dabei, Bilder aus ihrer zerstörten Heimatstadt herauszusuchen – für die Ausstellung. Mit ihrem Mann telefoniert sie jeden Tag.
Man spürt in der Runde ein großes Bedürfnis, die eigenen Erlebnisse teilen zu wollen. Die Dankbarkeit, hier in Sicherheit leben zu dürfen, ist mindestens genauso groß. Nicht alle, aber einige haben auch negative Erfahrungen in Deutschland gemacht. So erzählt eine Ukrainerin, dass sie runtergemacht worden sei, weil sie ein gutes Auto fährt. Sie solle das Fahrzeug verkaufen und das Geld in ihre Heimat schicken, habe der Mann auf dem Parkplatz zu ihr gesagt. Inna aus Kiew wurde auch schon mit derlei Vorwürfen konfrontiert. Da fielen Sprüche, wie „ihr wollt nur unser Geld“. Inna war in ihrem früheren Leben PR-Managerin, hatte eine Eigentumswohnung und ist dreimal im Jahr in den Urlaub gefahren. „Wir haben gut gelebt. Den Krieg haben wir uns nicht ausgesucht“, sagt sie und erzählt, dass die Integrations-Bereitschaft ihrer geflohenen Landsleute sehr groß sei. Viele säßen in den Integrationskursen oder warteten darauf. Innas Bitte: „Gebt uns noch ein bisschen Zeit.“ Als jemand die kleine Zlata fragt, was sie denn am meisten vermisse, traut sie sich dann doch zu antworten: „Meinen Papa“.
Am 23. Februar, 18 Uhr, soll die Ausstellung im Rathaus eröffnet werden. Interessenten sind dazu herzlich eingeladen. Die Schau ist bis 23. März im Foyer des Rathauses öffentlich zugänglich. Danach zieht sie nach Nossen und Großenhain weiter.
Nächstes SachsenSofa am 28. Februar in Augustusburg
„Offene Arme, offener Arbeitsmarkt? Wie Integration gelingt“
Bischöfe: „Seid Hoffnungsmacher!“
Bischöfe eröffnen Plakatkampagne zum gemeinsamen Projekt SachsenSofa
„Seid Hoffnungsmacher!“, fordern Tobias Bilz, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, und Heinrich Timmerevers, Bischof des Bistums Dresden-Meißen, anlässlich der Vorstellung der Plakatkampagne zum Projekt SachsenSofa, das von den beiden christlichen Akademien in Sachsen organisiert wird. Über 450 City Light Flächen werden in der sächsischen Landeshauptstadt bis April 2023 von der Wall GmbH kostenlos zur Verfügung gestellt. „Ich bin dankbar, dass wir so zahlreich von Einrichtungen und zivilgesellschaftlichen Playern in Sachsen unterstützt werden. Das zeigt mir, dass die Sehnsucht nach Zusammenhalt in unserem Land vielen etwas wert ist. Das SachsenSofa ist eine Chance, dafür konkrete Ansätze zu entwickeln“, sagt der Direktor der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen Thomas Arnold. In den kommenden Monaten werden die Plakate verstärkt im ganzen Freistaat rund um die Veranstaltungsorte des SachsenSofas zu sehen sein.
Die jetzt gestartete Kampagne zeigt das Engagement der Kirchen mit dem SachsenSofa für konstruktive Diskussionen zu drängenden Fragen unserer Zeit. „Die Akademien unserer Kirchen haben sich entschieden, in den kommenden Monaten besonders die Debatten in den kleinen Orten unseres Landes zu führen“, betont Heinrich Timmerevers, Bischof des Bistums Dresden-Meißen: „Krieg und Krisen brauchen Hoffnung und Heilige. Wir bieten als Kirchen mit dem SachsenSofa ein Angebot des öffentlichen Nachdenkens, auf welche Weise die Welt besser werden kann. Unsere Couch ist nicht zum Füße hochlegen, sondern auf dem SachsenSofa ringen alle um Lösungen. Damit leisten die Kirchen einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft in unserem Land.“
Nach den erbitterten gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der letzten Jahren ist es wichtig, dass die BürgerInnen wieder miteinander Lösungen für die zahlreichen aktuellen Herausforderungen finden. Gerade im ländlichen Raum fühlen sich viele Menschen abgehängt. Das SachsenSofa ist deshalb vor allem in Dörfern und kleinen Städten zu Gast, um BürgerInnen im ländlichen Raum mit PolitikerInnen und Persönlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens ins Gespräch zu bringen. Auf der Couch im Sachsen-Design werden “Debatten mit Herz und Haltung”geführt – mit hoffnungsvollem Grundton. Tobias Bilz, Landesbischof der Evangelisch Lutherischen Landeskirche Sachsens unterstreicht, wie wichtig es ist, dass die beiden großen Kirchen gemeinsam den gesellschaftlichen Dialog voranbringen möchten: „In Christus ist alles vereint, deshalb bemühen sich Christinnen und Christen um Zeichen dieser Versöhnung. Auch das SachsenSofa ist ein Zeichen der Verbundenheit von Kirche und Gesellschaft.“
Der Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen, Stephan Bickhardt, fügt hinzu: „Das SachsenSofa setzt das lebendige Gespräch der Christen beider Konfessionen in Familien und Gemeinden fort und bringt unterschiedliche Positionen zu gravierenden politischen Herausforderungen zusammen. Die Theologie wird nicht in den Schrank gestellt, sondern hilft dabei, Fragen im Dialog zu diskutieren. Die ersten gemeinsamen Veranstaltungen haben den Erfolg dieses Formats gezeigt.“
Nach einer Pilotphase von vier Veranstaltungen seit November 2022 wird das SachsenSofa ab März 2023 bis Ende 2024 regelmäßig zu Abendveranstaltungen einladen. Der Sächsische Landtag als Legislative hat dafür mit der Verabschiedung des Haushalts 2023/24 eine Förderung ermöglicht. Ergänzend sind Mittel bei der Bundeszentrale für politische Bildung beantragt. Die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Erfurt begleitet das Projekt ebenso wissenschaftlich wie die John-Dewey-Forschungsstelle für die Didaktik der Demokratie an der TU Dresden.
Auch Unternehmen, wie die Wall GmbH, unterstützen das Projekt. Letztere hat die umfangreiche Plakatkampagne von 450 City Light Postern in der sächsischen Landeshauptstadt gesponsert. Frauke Bank, Pressesprecherin von Wall sagte: „Die Entscheidung, das SachsenSofa zu unterstützen, ist bei uns schnell gefallen. Wir leben in einer Zeit, in der einem der Optimismus manchmal abhandenkommt und Hoffnung fehlt. Jedes Formt, um in den Dialog zu kommen und vor allem zu bleiben, ist ein Erfolg. Das ist beim SachsenSofa bereits spürbar.“
Das Sachsen-Fernsehen ist offizieller Medienpartner des SachsenSofas. Sachsen-Fernsehen wirbt mit zahlreichen Spots in seinen Programmen und im Fahrgastfernsehen. Außerdem sorgt es dafür, dass die Debatten im Livestream verfolgt werden können und später in voller Länge im Fernsehen zu sehen sind. Damit wird es allen Menschen in Sachsen möglich, an den Gesprächen in den kleinen Orten des Freistaats teilzunehmen.
(Pressemitteilung vom 8.2.2023)
SachsenSofa „Patient Pflege?“ in Kitzscher bei Leipzig
Das SachsenSofa hat am 3. Februar 2023 in Kitzscher bei Leipzig Station gemacht. Eine konstruktive Debatte zum Thema „Patient Pflege?“ Wir haben mitgenommen, dass Dinge sich in die richtige Richtung bewegen. Es gibt eine Steigerung von 12 Prozent bei den Auszubildenden in Sachsen. Die Caritas-Präsidentin Maria Welskop-Deffaa forderte zur besseren Entlastung von pflegenden Angehörigen auch eine Nachtpflege einzuführen als Pendant zur Tagespflege. Frau Köpping nahm Anregungen dazu aus dem Publikum dankbar auf. „Das nehme ich mit“, versprach sie einer Frau, die ein Pflegeforum für pflegende Angehörige anregte. Denn immerhin werden die allermeisten Menschen im häuslichen Umfeld von Familie oder engen Freunden gepflegt. Akademiedirektor Stephan Bickhardt erntete viel Beifall, als er äußerte, Gott wolle nicht, dass ein Mensch allein stirbt, und stellte die Wichtigkeit menschlicher Nähe in der Pflege heraus.
Nach der Veranstaltung wurde noch lange im Raum in kleinen Grüppchen diskutiert und es wurden erste Kontakte für eine weitere Zusammenarbeit geknüpft.
Das SachsenSofa noch einmal sehen können Sie am 4. Februar um 20 Uhr im Sachsen-Fernsehen oder Nachschauen hier im Stream.
Aufruf: Meine Ukraine! Ukrainische Stimmen zu Krieg, Vertreibung und Schmerz
Sammlung von Exponaten /// Ausstellungseröffnung
Am 24. Februar jährt sich der großangelegte russische Angriff der Ukraine. Doch bereits seit 2014 führt Russland Krieg gegen sein Nachbarland. Wie viele Menschen bislang ihr Leben lassen mussten, ist kaum zu ermitteln. Tod, Folter, Vergewaltigung, Verwüstung und Zerstörung durchziehen das Land. Über ein Drittel der Bevölkerung zwang der Krieg zur Flucht in andere Regionen oder ins Ausland.
Viele Geflüchtete leben nun in Deutschland. Wir wollen ihnen eine Stimme geben. Wie haben sie Krieg, Vertreibung und Flucht erlebt? Wie gehen sie mit der Trennung von ihrer Heimat, Verwandten und Freunden um, wie mit den furchtbaren Nachrichten? Welche Hoffnungen hegen sie?
ЗВЕРНЕННЯ
Шановні українки та українці!
Ми хочемо надати вам ГОЛОС!
Ми впевнені у тому, що ви хочете висловити свої думки, почуття та поділитися
своїм болем спричиненим війною, переселенням та вашими неосяжними
втратами, а також вашими надіями та планами на майбутнє.
Громадські дискусії в Німеччині занадто рідко стосуються Ваших емоцій та
почуттів. Ми хочемо змінити це за допомогою виставки що дозволить нам зробити
так, щоб ваші голоси почули!
Поділіться з нами фото, аудіо та відеозаписами, малюнками, які відображають
ваші почуття у ці неймовірно важкі часи. Також ви можете описати свої думки,
переживання, емоції та випробовування у вигляді листа. Ми можемо допомогти
вам із записом ваших аудіо- та відеозвернень. Ви можете надсилати ваші матеріали
будь-якою мовою адже ми маємо професійний переклад звуку та тексту.
Всі отриманні матеріали будуть представлені на виставці, яка буде проведена в
Майсені, Носсені, а потім і в інших містах. Згодом цей проект буде представлений
на нашому сайті і, таким чином, стане доступним для всього суспільства.
Wir laden ein zur Eröffnung der Ausstellung „Meine Ukraine!“ mit Zeugnissen ukrainischer Geflüchteter in Bild, Text, Video, Audio und Gegenständen sowie zu einem Podiumsgespräch 365 Tage nach dem Angriff.
Eröffnung Donnerstag, 23.02.2023, 18:00 Uhr, Historischer Ratssaal
Rathaus Meißen, Markt 1, 01662 Meißen
Mehr Informationen auf Meine Ukraine!
„Seid ihr bereit?“
Literatur und Bildungsarbeit
ein Artikel von Dr. Kerstin Schimmel, Studienleiterin Kultur der Evangelischen Akademie Sachsen
Seien wir ehrlich, nicht wenigen bricht bei dem Wort Literatur der kalte Angstschweiß aus, der Stresspegel steigt in düsterer Erinnerung an über 600 Seiten Buddenbrooks von Thomas Mann oder Theodor Fontanes Effi Briest mit über 300 Seiten Kleindruck, davon allein 60 Seiten Anmerkungen. Und wen hat Die Mutter von Maxim Gorki in jungen Jahren mitgerissen und voller Begeisterung in unbekannte Welten entführt?
Vom richtigen Augenblick
Wie für viele Dinge im Leben gibt es auch für Romane, Lyrik, Essays gute und weniger gute Augenblicke. Ein kluger Text zur falschen Zeit kann aus der Lust am Lesen Frust machen und zur nachhaltigen Abkehr von der Lektüre führen. Engagierte Lehrende wissen das und wählen klug, indem sie auf die jeweiligen Bedürfnisse schauen. Das heißt nicht, die guten alten Klassiker zu meiden und an ihre Stelle Mainstream-Literatur zu setzen. Es heißt vielmehr für Verbindungen zu sorgen, den Leserinnen und Lesern Angebote zu machen, an die sich in welcher Form auch immer anknüpfen lässt. Dabei muss es nicht um Zustimmung gehen oder die Bestärkung von Vertrautem. Es kann im Gegenteil sehr inspirierend sein, dem Bekannten völlig Fremdes gegenüberzustellen beziehungsweise das vermeintlich Vertraute sukzessive in einem anderen Licht erscheinen zu lassen, es aus einer ungewohnten Perspektive zu beleuchten, so, wie es beispielsweise Sven Pfizenmaier in Draußen feiern die Leute tut. Vordergründig geht es um ein ganz normales Dorf in Deutschland, eine Gruppe Jugendlicher und das traditionelle Dorffest, alles wie erwartet, würden sich nicht in kleinen, lakonischen Nebensätzen Brechungen einschleichen, die man zu Beginn fast überliest: Nicht der Marktplatz bestimmt das Zentrum, sondern der Kreisel, der in alle Richtungen aus dem Dorf führt; nicht die Kirche ist Erwähnung wert, sondern die Volksbank, und in das Gasthaus Zum Strick geht man nur, wenn alles andere zu hat. Das Leben der Jugendlichen spielt sich am Rande ab: Am Rande des Dorfes, der Schule und sogar am Rande des Festes. Was man vom Dorfleben erwartet, wird beschrieben, aus der Perspektive der Jugendlichen aber zunehmend in einen anderen Kontext versetzt, so dass das Verschwinden junger Menschen lange nicht als besorgniserregend wahrgenommen wird und Leserinnen und Leser erst spät bemerken, wie unvertraut ihnen dieses vertraute Dorf eigentlich ist.
Was kann Literatur?
Geschichten zu erzählen, ist uns Menschen eigen. Gemeinsame Geschichten zu haben, ist bedeutungsvoll für den Zusammenhalt von Gesellschaften, sie können aber auch in bestimmten Narrativen, wie sie beispielsweise zu Zeiten von Corona oder im Krieg gegen die Ukraine identifizierbar sind, zu Spaltungen führen, ausgrenzen und sogar zerstören. Sie können – im Guten wie im Schlechten – viele Menschen bewegen, Generationen prägen.
Harriet Beecher-Stowes Roman Onkel Toms Hütte von 1852 wird häufig als wichtiger Impuls zur Abschaffung der Sklaverei bezeichnet. Der Abraham Lincoln zugeschriebene Satz, “das ist also die kleine Dame, die diesen großen Krieg begonnen hat“, mit dem er sie während des Bürgerkrieges 1862 empfangen haben soll, ist historisch nicht gesichert. Sicher aber ist die große politische Bedeutung des Romans, der Abolitionisten wie John Brown den Weg ebnete, weil er das Thema Sklaverei vielen Menschen vor allem auch emotional nahegebracht hat.
Bücher wie J. D. Salingers Der Fänger im Roggen oder Hermann Hesses Der Steppenwolf haben ganze Generationen bewegt, ebenso Virginia Woolfs Ein Zimmer für sich allein und Anna Seghers Das siebte Kreuz. Schwer vorstellbar, dass eine Experten- und Expertinnenrunde im gängigen TV-Format im Herzen verankern kann, was Anna Seghers letzter Satz im Buch Das siebte Kreuz gelingt: „Wir fühlten alle, wie tief und furchtbar die äußeren Mächte in den Menschen hineingreifen können, bis in sein Innerstes, aber wir fühlten auch, dass es im Innersten etwas gab, was unangreifbar war und unverletzbar.“ (1)
Davon abgesehen, dass Literatur immer auch Wissen vermittelt, ist die große Chance, die sie bietet, etwas auszulösen, was genuin menschlich ist: Empathie.
Seid ihr bereit?
Um wirkungsvoll zu sein, fordert kulturelle Bildung immer auch Eigentätigkeit, also das persönliche Beteiligtsein. Lesen beteiligt, denn Lesende sind nicht nur Zuhörende, sondern Angesprochene, ganz gleich, ob sie die Rauhstellen des Textes, die Unsicherheiten, Fragen und Widersprüche nur mit sich oder in Gemeinschaft diskutieren. Die Fiktion erlaubt Distanz im Sinne von es-ist-ja-nur-eine-Geschichte und eröffnet dadurch gleichzeitig weite Räume, neue Denkmodelle auszuprobieren und neue Haltungen einzunehmen, sich in fremde Lebenswelten und andere Menschen zu versetzen. Der folgende Textausschnitt zeigt, dass Geschichten anders als Zahlen und Grafiken (zum Beispiel von gefallenen Soldaten, zerstörten Gebäuden), uns erlauben mitzufühlen, weil er Bilder und Emotionen – zum Beispiel von Angst und Schmerz – skizziert, an die sich auch ohne persönliche Kriegserfahrung andocken lässt.
„Die Soldaten wirken konzentriert, ruhig. […] Alle bereiten sich auf den Krieg vor, der weitergeht. Jeder plant, am Leben zu bleiben, zurückzukehren. Alle wollen zurück nach Hause, alle mögen das Gefühl heimzukehren. Ich mag es auch, zur Station zurückzukommen, die Häuser zählen, die Nachbarn auf der Straße erkennen, warten, bis hinter der Ecke unser Haus auftaucht […]. An der Haltestelle bemerke ich eine Pappschachtel. Dort winselt leise etwas. […] Zwei Hundewelpen. Rötlich, gefleckt. Der eine ist schon kalt. Der andere wird auch gleich verenden. ‚Lass ihn uns mitnehmen‘, sage ich zu Pascha. ‚Lieber nicht‘, antwortet der. ‚Opa wird schimpfen.‘ […] ‚Wenn ich ihn hier lasse, krepiert er ganz sicher‘, widerspreche ich ihm, nehme vorsichtig den Welpen auf den Arm […]. ‚Ist er gestorben?‘, fragt Pascha schon mit Interesse. ‚Quatsch‘, antworte ich. ‚Wenn er erwachsen ist, reißt er jeden in Fetzen.‘ Pascha lacht skeptisch. Wir biegen um die Ecke. Unsere Fenster leuchten in einem gleichmäßigen Fernsehlicht. Zu Hause riecht es nach frischen Bettlaken.“ (2)
Anders als wissenschaftliche Analyse und daraus resultierende Fakten, erweitert Literatur nicht nur den Kontext und stellt alles in einen größeren menschlichen Zusammenhang, sondern sie stellt in guten Momenten auch die drängenden Fragen, so wie die Zeilen des titelgebenden Gedichtes von Serhij Zhadan: „Seid ihr bereit zu sprechen, als hinge von euren Worten / Die Zukunft der Zivilisation ab?“ (3)
Literatur
Beecher-Stowe, Harriet (1977): Onkel Toms Hütte, Frankfurt am Main
Hesse, Hermann (1974): Der Steppenwolf, Frankfurt am Main
Pfizenmaier, Sven (2022): Draußen feiern die Leute, Zürich – Berlin
Salinger, J. D. (2003). Der Fänger im Roggen, Köln
Seghers, Anna (24. Auflage 1985): Das siebte Kreuz, Darmstadt und Neuwied
Zhadan, Serhij (2018): Internat, Berlin
Zhadan, Serhij (2020): Antenne. Gedichte, Berlin
Fußnoten
(1) Seghers 1985, S. 288
(2) Zhadan, 2018, S. 300 f.
Erschienen in: Praxis Gemeindepädagogik. Zeitschrift für evangelische Bildungsarbeit. 75. Jahrgang // Heft 4 // Oktober – Dezember 2022
Verortung – Orte für junge Menschen jugendpolitisch gestalten – ein Plädoyer
Aufsatz zur politischen Verantwortung für junge Menschen von Studienleiter Christian Kurzke veröffentlicht.
Für das Jahrbuch 2022 der Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung hat Studienleiter Kurzke umrissen, dass politische Verantwortungstragende zwar oftmals bewusst ist, dass Jugendarbeit zu wenig Unterstützung erfährt, dies aber zu selten zu den notwendigen jugendpolitischen Entscheidungen führt. Der Beitrag skizziert die dahinterliegenden Mechanismen und benennt Folgen sowohl für junge Menschen wie auch für die Gesellschaft.
Der Aufsatz ist HIER nachlesbar.
Informationen und Links zum vollständigen Sammelband sind HIER einsehbar.
SachsenSofa „Energiewende – jetzt oder nie?“ im Sachsen-Fernsehen
Das SachsenSofa in Sohra (Bobritzsch-Hilbersdorf) mit dem Sächsischen Umweltminister Wolfram Günther, Professor Dr. Armin Grunwald und PD Dr. Simone Raatz.
Schalten Sie ein: Samstag, 21. Januar 2023 um 20 Uhr im Sachsen-Fernsehen und Sachsen Eins (https://www.sachsen-fernsehen.de/)
Wann ist Weihnachten? – Betrachtungen zum orthodoxen Weihnachtsfest von Studienleiterin Dr. Julia Gerlach
Derzeit wird in den Medien viel über die Verlegung des Weihnachtsfestes in der Ukraine auf den 25. Dezember diskutiert und dabei allzu oft Politik mit Religion vermischt. Lesen Sie hier einen Debattenbeitrag von Studienleiterin Dr. Julia Gerlach:
Wann ist Weihnachten?
Religion und Politik in Zeiten des Krieges
In den kommenden Tagen begehen viele Menschen orthodoxen Glaubens das Weihnachtsfest. In der von Russlands Angriffskrieg gezeichneten Ukraine ist die Bevölkerung mehrheitlich orthodox, doch das Weihnachtsfest haben einige Gläubige und Gemeinden entgegen der Tradition erstmals bereits am 25. Dezember 2022 begangen. Wie kam es dazu?
In der Ukraine konkurrieren zwei große orthodoxe Kirchen miteinander: Erstens die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche (UOK), die sich Ende Mai 2022 vom Moskauer Patriarchat losgesagt hat. Zweitens die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU), die aus einer Fusion im Dezember 2018 hervorgegangen ist und der vom Ökumenischen Patriarchat in Konstantinopel kirchenrechtliche Unabhängigkeit (Autokephalie) zuerkannt wurde. Über die Zugehörigkeit von Gläubigen gibt es aktuell keine verlässlichen Daten.
Die Monate des Krieges beschworen eine existentielle politische Rivalität der beiden Kirchen herauf, bei der das Bekenntnis zum ukrainischen Staat und die Abwendung von Moskau im Vordergrund stehen. Die Kirchenleitung der UOK unter Metropolit Onufri distanzierte sich bereits wenige Stunden nach Beginn der Invasion in aller Deutlichkeit vom Krieg. Sie verurteilte das Gebaren des russischen Patriarchen Kirill in ungekannter theologischer Schärfe und sagte sich schließlich explizit von ihm und vom Moskauer Patriarchat los – ein in der orthodoxen Tradition unerhörter Vorgang. Die UKO unter Leitung von Metropolit Epiphanias nahm ebenfalls eindeutig Position für die Ukraine ein und forderte die orthodoxe Ökumene zur Verurteilung von Patriarch Kirill auf. Gleichzeitig kritisierte sie weiterhin das Vorhandensein von Strukturen des Moskauer Patriarchats in der Ukraine.
Dem versucht die UOK mit weitreichenden theologischen Vorstößen mit nicht zuletzt hoher Symbolkraft zu begegnen: So verzichten Geistliche der UOK auf die sonst übliche Anrufung Kirills (Kommemoration) in der Liturgie. Ferner soll die Myron-Weihe, welche seit 1917 in Moskau durchgeführt wurde, wieder aufgenommen werden. Myron wird hauptsächlich für die Myronsalbung (Firmung) unmittelbar nach der Taufe verwendet.
Die OKU markierte ihre politische Position etwa durch einen Beschluss, nach dem es Gemeinden freigestellt ist, das Weihnachtsfest bereits am 25. Dezember und nicht der Tradition nach am 7. Januar zu begehen. Damit bietet sie einen Wechsel aus den Reihen der orthodoxen Altkalendarier, die dem Julianischen Kalender folgen, in den der orthodoxen Neukalendarier an, die dem Gregorianischen nachkommen und so terminlich in Einklang mit den Westkirchen stehen.
Zwei ukrainische Ministerien führten mithilfe der Smartphone App Diia eine Umfrage durch, welches Datum Gläubige für das Weihnachtsfest bevorzugen. Daran nahmen 1,5 Millionen Menschen teil, wovon rund 60 Prozent für das Weihnachtsfest am 25. Dezember stimmten. Wie viele Gläubige und Gemeinden 2022 bereits das Weihnachtsfest am 25. Dezember begingen, ist unbekannt.
Die politische Symbolkraft der Terminierung des Weihnachtsfests in der aktuellen Debatte ist aber allzu deutlich: sie markiert im Kontext des Krieges weltliche und weltanschauliche Zugehörigkeiten und suggeriert eine Entscheidung zwischen Russland und Europa. Religiöse Fragen werden mit politischen vermischt. Dies ist problematisch und birgt gesellschaftlichen Zündstoff, insbesondere in einer zukünftigen Nachkriegsgesellschaft. Von dieser Kritik bleibt die ausdrückliche Verurteilung von Russlands Angriffskrieg und der proaktiven, aggressiven Rolle der Russisch-Orthodoxen Kirche unter Leitung Patriarch Kirills unangetastet.
Ein Beitrag von Dr. Julia Gerlach, Studienleiterin Demokratie, Wirtschaft, Soziales der Evangelischen Akademie Sachsen
Zum Weiterlesen:
https://www.sonntag-sachsen.de/2023/01/die-liturgie-zeiten-des-kriegs
Wollen Sie mehr erfahren? Dr. Julia Gerlach hält am 13. Januar 2023 um 18 Uhr im ehemealigen Bahnhof Radebeul Ost einen Vortrag über den Ukrainekrieg und die Rolle orthodoxer Kirchen. Informationen und Anmeldung: https://ea-sachsen.de/veranstaltungen/ukrainekrieg-und-die-rolle-orthodoxer-kirchen/
Ein gesegnetes neues Jahr wünscht die Evangelische Akademie Sachsen
Fröhliche Weihnachten wünscht die Evangelische Akademie Sachsen
Der 30-jährige Krieg war schon 5 Jahre vorbei. Und Paul Gerhard schrieb das Lied „Wie soll ich dich empfangen“ (Nr. 11 im Evangelischen Gesangbuch). Dem Pfarrer wird gern bis in die Literaturwissenschaft hinein eine besondere Menschen- und Gemeindenähe nachgesagt. Und Sie, liebe Lesende spüren sofort mit. Denn selten beginnen Lieder mit Fragen. „Wie soll ich dich empfangen/ und wie begegn ich dir“ – der Dichter fragt nach Jesus. Begegnen soll ich dir, empfangen will ich dich. Unter dem Sollen liegt ein Wollen, ein Ich. Spricht Gerhard in den Nachkriegsjahren damals ein Wort, das heute trifft? Ich empfehle zur Meditation das wiederholende Lesen der Strophen und halte inne über dem 2. Teil der Strophe 5. Empfangen wir die Botschaft von der reinen Liebe – geliebtes Lieben nennt sie Gerhard – am Weihnachtsfest „damit du alle Welt/ in ihren tausend Plagen/ und großen Jammerlast,/ die kein Mund kann aussagen,/ so fest umfangen hast.“ Empfangen will die Botschaft sein, diese: umfangen bleibt die Welt von Gott.
Gesegnete Festtage und eine gute Lektüre unseres Programms.
Stephan Bickhardt
Hintergrund-Texte aus der Evangelischen Akademie Sachsen
„Sommerkolleg im Deutschlandfunk“
Der Deutschlandfunk hat in einer Sendung unser Veranstaltungsthema „Ergebung und Widerstand. Die sächsische Kirche in der NS-Zeit“ aufgegriffen, Positionen und O-Töne prägen den Beitrag. Sie können den ca. 12minütigen Beitrag HIER nachhören, er beginnt bei Minute 12:46.
Zwischen den Zeilen der Bibel – Eine christlich-theologische Perspektive auf die gesellschaftliche Relevanz der Kinderrechte
Aufsatz zu Kinderrechten von Studienleiter Christian Kurzke veröffentlicht.
Für das Deutsche Kinderhilfswerk im Rahmen eines durch das BMFSFJ geförderten Projektes hat Studienleiter Kurzke nach Grundlagen und Wurzeln von Kinderrechten in der Bibel gesucht – und beeindruckend deutliche Textstellen gefunden. So geht der Beitrag u.a. ein auf das Kind als Mitte in der christlichen Religion sowie der Augenhöhe zwischen Kindern und Erwachsenen. Der Aufsatz ist nachlesbar auf den Seiten 94 – 99.
#VonWegenAnders – Jugendpolitik Ost: ein Gespräch mit Staatssekretär Marco Wanderwitz
#VonWegenAnders – Jugendpolitik Ost“: ein Gespräch mit Prof. Dr. Peter-Ulrich Wendt
Neuer Aufsatz zur Eigenständigen Jugendpolitik in Sachsen von Christian Kurzke
60 Jahre Meißner Kantorei 1961
Ansprache zum Friedensgebet am 9. Oktober 2021 in der Nikolaikirche Leipzig
Studienleiter Christian Kurzke im mdr-Interview
Was bleibt? Wie digitale Formate Akademiearbeit verändern. Ein Gespräch mit Julia Gerlach und Frank Vogelsang
Dokumentation der Beteiligung von Studienleiter Christian Kurzke auf Podium des 17. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetages 2021
Sophie Scholl zum 100. Geburtstag
Corona: Soziale Kosten und soziale Folgen – Interview mit Dr.`in Severine Thomas vom Institut für Sozial- und Organisationspädagogik der Universität Hildesheim
Videocast: Die AfD und die Jugend – wie die Rechtsaußenpartei die Jugend- und Bildungspolitik verändern will.
Aufsatz “Ein Pakt für die Jugend. Eine Passage im Koalitionsvertrag der sächsischen Landesregierung”
Einem vermeintlichen Generationenkonflikt entgegenwirken – und (gemeinsam) gestalten
Anmerkungen zu einer Politik für mehrere Generationen von Christian Kurzke
Stressbewältigung aus theologischer Sicht
Aktuelle Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kitas – die Kinder, die Eltern und die Erzieher:innen
Ein Interview mit Prof.’in Dr.‘in Silvia Hamacher und Katja Belenkij aus dem Expert:innen-Team Kita der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e.V.
Schreibwerkstatt mit Folgen …
Gespräch mit der Schriftstellerin Ulrike Loos
Kinder- und Jugendpolitik in Sachsen
Pandemie-Erfahrungen und notwendige Schlussfolgerungen. Studienleiter Christian Kurzke im Interview mit sächsischen Geschäftsführer:innen
Leipzig bleibt friedlich – Kein Militärdrehkreuz am Flughafen Leipzig/ Halle
Ansprache von Akademiedirektor Stephan Bickhardt im Friedensgebet in der Leipziger Nikolaikirche am 2. November 2020
„Hoch explosive Beziehungsgeschichte“
Der ehemalige deutsche Botschafter in Armenien, Hans-Jochen Schmidt, über den aktuellen Konflikt um Bergkarabach im Gespräch mit Studienleiterin Dr. Julia Gerlach.