Minuten bei Gott – positiv getestet
27. März 2020
Von Stephan Bickhardt
Gott, mein Herz
sehnt sich nach dir.
Ich liege, schlafe, gehe, arbeite
du weißt davon.
Eine Unruhe packt mich und wie
aus einem Plötzlichen schreite ich zur Tat.
Lass mich das Richtige tun
für mich und meinen Nächsten.
Ich blicke zu Jesus Christus, dir so nah
mir nah.
Jesus tritt ein für uns, er teilt
die Schwachheit meines Herzens
und erlöst mich.
Amen.
Über die Herzlichkeit
Das Telefon klingelt. Auf dem Display erscheint eine Nummer mit bayrischer Vorwahl. Am anderen Hörer überrascht mich ein Freund, das war gestern. Im zweiten Satz sagt er: Ich bin positiv getestet. Ich bin erschrocken. Du, sage ich laut, Du infiziert vom Corona-Virus.
Der Anwalt, Strafverteidiger, Ehemann und Kirchvorsteher weiß, worauf es ankommt im Leben, auch jetzt. Schon ganz am Anfang sagt er: Ich bin positiv getestet. Wenn es um Schweres geht im Leben, kommt es darauf an – die Kraft aber muss dazu reichen – gleich zu sagen, was schwer ist. Das macht es leichter.
Zumindest nach der Nachricht wird es leichter sein zu sprechen und kein Moment des Vorwurfes erhebt sich, nicht sofort die Wahrheit gesagt zu haben. Für den Abend haben wir ein zweites Gespräch verabredet. Mein Freund weiß, worauf es ankommt. Dieses Direkte macht alles leichter und damit das Schwere erkennbar. Es gibt eine Direktheit aus dem Herzen, die Vertrauen schafft und Liebe übt.
Liebe Freundinnen und Freunde der Evangelischen Akademie Meißen, in diesen Tagen ist darum alles anders. Keiner kann sich entziehen. Die reflexive Modernisierung (Ulrich Beck) ermöglicht Millionen unterschiedlicher Lebensläufe. Und dann das.
Unterschiedslos sind alle Menschen konfrontiert mit der Frage nach dem Virus. Das bedeutet etwas, möglicherweise sogar für den Weg der Menschheit. Es hilft wieder ein Blick in den Lehrtext der Herrnhuter für den heutigen Tag.
Ein „Auswähler“, so heißt er in der Herrnhuter Brüdergemeine in Ostsachsen, sucht diesen Lehrtext aus dem Neuen Testament heraus. Er soll zur Losung des Tages passen, die aus über 1000 Vorschlägen für jedes Jahr gezogen wird aus einer großen Schale. Von Herzschlag und Wahrheit wird im 1. Johannesbrief 3,19 gesprochen. DARAN ERKENNEN WIR, DASS WIR AUS DER WAHRHEIT SIND, UND KÖNNEN UNSER HERZ VOR IHM ZUM SCHWEIGEN BRINGEN, Worte, die ich immerfort wiederholen möchte jetzt.
Wir sind aufgeregt, angespannt, in Sorge um liebe Menschen. Wir stehen in einer neuen Herausforderung, vielleicht werden wir eine neue wichtige Erfahrung machen. Und wir schweigen, sind mindestens ergriffen, stellen Fragen um der Zukunft willen. Das Herz ist unruhig.
Aber Ruhe finden im Herzen, wünschen wir. Als ehemaliger Polizeipfarrer von Leipzig und Westsachsen weiß ich, worauf es in der Krise ankommt. Auf klare Regeln und auf konzentrierte Ruhe, sonst kann keine Krise bewältigt werden. Woran erkennen wir, dass wir aus der Wahrheit sind?
Wir erkennen dieses In-der-Wahrheit-sein an der Tat, so sagen es die Worte aus dem 1. Johannesbrief zuvor. Frauen und Männer, die auf Jesus Christus vertrauen, gehen mit ihm zu denen, die warten, die leiden, lassen ihr Leben für den anderen. Das bedeutet wahre Herzlichkeit, das Herz für den Nachbarn nicht verschlossen lassen. Die Liebe Gottes strömt aus.
2 Kommentare zu “Minuten bei Gott – positiv getestet”