Minuten bei Gott – wohin mit der Traurigkeit?
26. März 2020
Von Stephan Bickhardt
Gott, zu dir beten wir,
wir kommen zu dir und sind verunsichert.
Wir kommen zu dir und sind aufgewühlt.
Wir leiden mit Menschen in der Not.
Wir sind auf uns gestellt.
Gott, zu dir beten wir,
wir kommen zu dir und sagen Dank für alle Kraft.
Du wirkst unter Menschen.
Wir kommen zu dir und bitten dich:
hilf uns deinen Willen zu erkennen.
Wir bitten dich für die Kranken,
in Italien und überall.
Schenke Kraft und Festigkeit.
Amen.
Über die Gefahr
Vor einigen Tagen schrieb mir ein Bekannter aus der Bürgerrechtsbewegung. Und er wollte mit einem Gedicht von Erich Kästner etwas aufmuntern.
Wird’s besser? Wird’s schlimmer?
fragt man alljährlich
Sagen wir ehrlich:
Leben ist immer
lebensgefährlich.
Bei allem Humor, mich bringen diese Worte durcheinander. Wie sehr habe ich mich vor Jahren an dem Wort von Wolf Biermann schaurig gefreut: „Wer sich nicht in Gefahr begibt, der kommt drin um.“ Der Barde Biermann machte Mut in der Diktatur.
Erst in meiner Zeit als Pfarrer und dem fortgesetzten Bibellesen musste ich wahrnehmen, dass der Wolf hier nur ein Bibelwort herumgedreht hat. Denn in den Sprüchen Salomo heißt es: Wer sich in Gefahr begibt, der kommt drin um. Ist es also der Lebenszusammenhang, in dem ich stehe, der bewahrheitet, ob nun die Version der Bibel oder die Umkehrung aufmuntert, tröstet und warnt?
Liebe Freundinnen und Freunde, die Einsicht in die Gefahr ist während dieser Corona-Krise bis in die letzten Winkel der Erde und der Wohnungen gedrungen. Wir haben Angst. Angst vor dem Tod. Die Gefahr, mal verbunden mit der Einsicht, mal verbunden mit der Wut, ist riesig. Gibt es etwas jenseits von Angst und Wut, das ein tröstliches Gefühl uns bereitet?
Der Apostel Paulus schreibt im Tränenbrief, so bezeichnen wissenschaftliche Ausleger einige Passagen des 2. Korintherbriefes, über die Traurigkeit. Wirklich gelebte Traurigkeit kann dem Menschen ein Anfang von Glückseligkeit bedeuten. Wirklich?
Der Lehrtext zur Herrnhuter Losung heute spricht davon, Kapitel 7,12. DIE TRAURIGKEIT NACH GOTTES WILLEN WIRKT ZUR SELIGKEIT EINE UMKEHR, heißt es. In Momenten der Ruhe darf auch heute, in der Krise die Traurigkeit fließen. Manchmal denke ich, Traurigkeit liegt unten drunter, unter der Wut und dem Hass sowieso.
Die Gefahren, die mit dem Corona-Virus für Leib und Leben gegeben sind, können Wissenschaftler nicht abschließend einschätzen. Wir aber können im Glauben sagen, die Gefahr birgt Angst und die Angst bringe ich zu Gott. Und die Seligkeit lassen wir uns zusprechen von ihm und kehren um von einem falschen Weg, von dem wir noch nicht wissen, in welcher Weise er falsch ist oder war.
Ja, auf diesem Weg bin ich traurig, sehr. Bis zur Erschöpfung arbeiten Pfleger und Ärztinnen, in höchster Konzentration arbeiten Pflegerinnen und Ärzte und sehen, wie das Werk der Hände scheitert und oftmals Leben rettet. Darum will die Seligkeit des Glaubens nicht sein ohne Umkehr, eine Umkehr, die die Trauer teilt mit denen, die leiden – am Krankenbett und den Kranken selbst. Du bist Trost, mein Gott, sei Trost denen, die leiden.