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Was ist Heimat? Sprache, Literatur, Musik


3. April 2020

Die Tagung „Mythen, Lieder, Hightech – Eine kulturgeschichtliche Annäherung an Estland“ ist leider dem Corona-Virus zum Opfer gefallen. Der Slawist und Referent Dr. Hans-Christian Trepte aber bleibt der Evangelischen Akademie Meißen eng verbunden. Heute beantwortet er die drei Heimat-Fragen:

 

Was bedeutet für mich Heimat?

Heimat ist für mich ein Begriff, der immer wieder missbraucht wurde und wird und damit auch ein gewisses „Geschmäckle“ besitzt.

Ich habe nicht nur eine, sondern mehrere Heimaten zugleich: die alte, hergebracht, traditionelle, wo ich her geboren und aufgewachsen bin, mit meinem Elternhaus, mit all den vertrauten Plätzen – und eine weite, offene Heimat aus freier Wahl, in der ich mich seit meiner Studienzeit wohl und daheim fühle. Hinzu kommen weitere Heimaten in Europa, Länder und Orte, wo ich mich zuhause fühle, oft sind diese auch verbunden mit den Sprachen, die ich spreche und den Kulturen, die ich mir zu eigen machen konnte; und so ist Heimat für mich eben auch Sprache (daheim in der Sprache) und damit Literatur, aber auch Musik, vor allem von J.S. Bach, Chopin oder Mozart.

 

Was würde ich in meiner Heimat gerne ändern?

In der Rückerinnerung an meine Kindheit und damit an meine alte Heimat, meine Eltern, Großeltern und nahen Verwandten wohl kaum etwas. Mit gewachsenem Abstand würde ich allerdings recht viel ändern wollen: Die oft nicht zur Kenntnis genommene Engstirnigkeit, die Borniertheit, die provinzielle Nabelschau und Selbstverliebtheit. Hinzu kommt die mir unverständlich gebliebene Affinität zu populistischen, nationalistischen Dummschwätzern… Deshalb fühle ich mich auch in liberalen, toleranten, weltoffenen Kulturen und Städten, dort wo ich frei atmen kann, daheim.

 

Was sollte sich in meiner Heimat nie ändern?

Ganz sicher nicht Verzicht auf das wohltuende Gefühl, daheim angekommen und damit geborgen zu sein, ein Gefühl, das in erster Linie verbunden ist mit mir nahestehenden, lieben Menschen. Hinzu kommt die freie, unverfälschte Natur, die vertrauten Landschaften, die heimatliche Kirche mit ihrem mich schon von Weitem begrüßenden Turm. Nie ändern sollte sich die Weltoffenheit, Offenheit, Liberalität, die Vielfalt des geistig-kulturellen Lebens mit Konzerten, Lesungen, konstruktiven Tagungen, dem freimütigen, kritisch konstruktiven Austausch. Es sind Ereignisse, die mit dazu beitragen, dass auch die Tagungs- und Begegnungsstätte der Evangelischen Akademie im St. Afra Kirchhof in Meißen mir zu einem unverzichtbaren Stück Heimat geworden ist.

 

 

Foto: Kerstin Schimmel

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