Zwischen Freiheit und Existenznot: Die Malerin und Grafikerin Gudrun Trendafilov
22. April 2020
Kreative in Zeiten der Krise: Dr. Kerstin Schimmel im Gespräch mit der Malerin und Grafikerin Gudrun Trendafilov.
Mit vollem Recht wird heute viel von den Held*innen unseres Alltags gesprochen: der Kassiererin im Supermarkt, dem Altenpfleger, der Brummi-Fahrerin, die unser Toilettenpapier bringt, den Ärztinnen und Krankenpflegern. Doch gibt es nicht auch Held*innen der Kultur? Sind nicht diejenigen, die uns mit künstlerischen Mitteln aufklären und aufrütteln ebenfalls systemrelevant? Ist es nicht hoch einzuschätzen, wenn in Zeiten des Auf-sich-selbst-zurückgeworfen-seins Kreative da sind, die uns Mut machen, indem sie auf die Kulturschätze jenseits der Welt von Covid-19 verweisen?
Machen uns in Zeiten von Kontaktsperre und Quarantäne all die guten Filme, Bücher, Musikstücke und Bilderrundgänge durch die Museen der Welt das einsame Leben nicht um vieles leichter? Wenn Ensembles vor leeren Rängen spielen, um ein Theaterstück im Livestream zu uns nach Hause zu bringen, wenn Orchestermusiker*innen per Skype ein Konzert geben, die Schriftstellerin vom heimischen Balkon liest, dann bekommen sie sicher, und aus gebührendem Abstand, Applaus. Der ist verdient – aber reicht vor allem den Solo-Selbständigen auch der Verdienst? Können sie in diesen Zeiten überhaupt arbeiten?
Gudrun, Du hast an der Hochschule für Bildende Künste Dresden studiert und bist unter anderem Mitglied der Dresdner Sezession 89 e.V.. Seit 1981 bist Du freischaffend tätig und pendelst dabei inzwischen zwischen Deinen Lebensorten Dresden und Nürnberg. Du hast den 1. Preis „le petit format“ in Villefranche sur mer erhalten, das Philip-Morris-Stipendium und den Sonderpreis „Hundert ausgewählte Grafiken“. Zahlreiche Arbeiten von Dir befinden sich in renommierten Museen wie zum Beispiel dem Kupferstichkabinett, der Sammlung Ludwig, dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg sowie dem Museu Calouste Gulbenkian in Lissabon. Neben Bildern, Zeichnungen und Druckgrafiken, finden sich in Deinem künstlerischen Repertoire auch Keramiken und Originalgrafische Bücher wie zum Beispiel das Buch „Im ersten Brandt vier Personen:…“, Hexenverzeichnis, Siebdrucke Gudrun Trendafilov.
Die Kunstwissenschaftlerin und Galeristin Karin Weber hat über Dich gesagt: „Ihre Kunst kommt nicht von außen. Sie zeichnet und malt ihre Träume, ihre Freude, ihre Sehnsucht, ihre Liebe, ihre Zweifel… Die Künstlerin weiß um die Höhenflüge und bodenlosen Abgründe, denen man lebenslang ausgesetzt ist Sie findet sich in der Stille und lehrt uns das Fliegen und das Träumen… .“
Auf den ersten Blick sollte man meinen, dass sich dein Alltag nicht sonderlich verändert hat. Du stehst vor der Staffelei, arbeitest wie immer und verkaufst deine Bilder. Oder?
Gudrun Trendafilov: Arbeiten ja, verkaufen kaum. Ich kann natürlich im Atelier arbeiten. Allerdings wirkt auf mich die Situation schon verunsichernd, nebelig, und auch etwas bedrückend, brauche ich doch für so viele Dinge den persönlichen Austausch, auch wenn wir über so viele Möglichkeiten der indirekten Kommunikation verfügen können.
Momentan bin ich eher im Nachdenken als im kreativen Rausch. Die virtuelle Welt der Kunst erreicht mich auch nicht in ausreichendem Maß. Internet und Telefon helfen schon, reichen aber nicht. Ich merke gerade jetzt, wo das fehlt, wie wichtig es für mich und auch für meine Arbeit ist, Menschen zu treffen, zu sehen, zu fühlen, mit ihnen zu reden und zu lachen.
Ich vermisse den sogenannten Input, den ich für meine Bilder brauche. Daher fließt es jetzt auch nicht so, wie ich das möchte. Was sich aber auch wieder ändern wird, da bin ich ganz ruhig.
In normalen Zeiten pflege ich für meine Arbeit eine ganze Menge Kontakte. Da drucke ich z. B. in einer Grafikwerkstatt, ich arbeite mit einem Verlag, ich kaufe Material ein und gebe Zuarbeiten in Auftrag, ich besuche Ausstellungen und Museen, stehe im Kontakt mit meinen und allgemein mit Galerien, ich organisiere Ausstellungen, die ich selbst vor Ort auf- und abbaue … etc. Das alles sind neben den persönlichen Beziehungen nicht nur notwendige Kontakte, sondern auch erlebte Begegnungen. Das geht jetzt alles nicht. Für den Verkauf ist die Ausstellungstätigkeit eine Grundvoraussetzung. Auch guter Kontakt zu den Kund*innen ist notwendig. Denn wir Freiberufler leben ja nur von Verkäufen, oder Aufträgen, die wir selbst organisieren müssen. Für die meiste potenzielle Kundschaft ist es wiederum unabdinglich, Bilder im Original anschauen zu können, entweder in den Ausstellungen oder im Atelier. Das alles ist leider momentan nicht bzw. kaum möglich.
Es ist also nicht das Problem, nicht arbeiten zu können, denn zu tun habe ich viel. Nur verdienen kann ich freilich momentan ohne Ausstellung und Kundenkontakt nicht. Um durch das wirtschaftliche Minus zu kommen, gibt es ja glücklicherweise für uns die Möglichkeit, Zuschuss zu beantragen, und so geht es auch erstmal weiter. Ich denke, es gibt derzeit viele Menschen, denen das Wasser viel höher steht. Momentan ist es halt erstmal ganz wichtig, dass wir gesund bleiben …
In Dresden, in der Galerie Mitte, wäre jetzt gerade Deine Kabinettsausstellung zur Ausstellung von Frank Panse „Frühe Zeichnungen – späte Bilder“ gezeigt worden, wenn Corona keinen Strich durch die Rechnung gemacht hätte. Die im Stadttheater Fürth geplante Ausstellung „Begegnung“ – Gudrun Trendafilov und Teresa Wiechova musste aus eben diesem Grund auf November 2020 verschoben werden. Gibt es – trotz allem – auch positive Erkenntnisse für Deine Arbeit, die Du aus der Corona-Krise mitnimmst?
Gudrun Trendafilov: Auf jeden Fall. Mein Terminkalender ist leer … ein äußerst seltenes Phänomen. Ich habe Zeit, über vieles nachzudenken, versuche herauszufinden, was mir wie wichtig ist.
Ich räume auf. Im Atelier und im Kopf. Da ich zusätzlich noch gerade in einem Umzug stecke, genieße ich die Befreiung von Unnützem auch rein physikalisch, und ich darf mich ziemlich heftig in Geduld üben. Auf der einen Seite fehlt mir etwas ganz Wichtiges, andererseits aber gelingt es, Dinge loszulassen. und Raum für Anderes zu schaffen. Da finden sich ganz langsam auch neue Impulse und Ideen ein, denn man hat ja Zeit …
Ich bin sehr gespannt, ob und wie diese Situation uns verändern wird. Viele wichtige Probleme sind ja nicht wirklich neu, nur können wir ihnen jetzt nicht mehr so gut ausweichen. Es betrifft jetzt eine Menge mehr Menschen, die ihre Situation überdenken müssen. Man kann in Panik verfallen oder aber zuversichtlich bleiben. Mir gefällt im Übrigen sehr, wieviel Humor wieder aufkommt in solchen Zeiten. Das finde ich schon hilfreich.
Es wäre wunderbar, wenn wieder mehr Solidarität bei uns einziehen würde und mehr Klarheit über Notwendiges und Überflüssiges. Die Veränderungen, die zwangsläufig auf die jetzigen Schwierigkeiten folgen werden, werden vermutlich auch von uns als Gesellschaft Entscheidungen fordern. Das ist eine Chance. Und eine Chance ist doch immer erstmal etwas Positives.
Ich bin für zuversichtlich Bleiben und Chancen Nutzen und danke Dir für das Gespräch.
Weiteres zu Gudrun Trendafilov unter www.gudrun-trendafilov.de.
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