Stellungnahmen zur Demokratie
Mit regelmäßigen Stellungnahmen zur Demokratie treten die Direktor*innen der ostdeutschen Evangelischen Akademien im Superwahljahr 2024 öffentlich für eine differenzierte und klare Haltung zu gesellschaftlichen Fragen ein. Dazu laden sie monatlich Gäste aus Gesellschaft, Wissenschaft, Kirche und Politik zu einem Hintergrundgespräch ein und melden sich jeweils anschließend mit einer gemeinsamen Stellungnahme zu Wort.
August 2024
Für die Demokratie sind alle verantwortlich!
Wahlverhalten junger Menschen und Rechtspopulismus
Siebtes Fachgespräch der Direktor*innen der Evangelischen Akademien in Ostdeutschland mit Wissenschaftlerinnen, Medienvertretern und Theologen
Gibt es einen Rechtsruck der Jugend in Deutschland? Im Superwahljahr 2024 haben sich die mediale Berichterstattung und gesellschaftliche Debatten auf Studien gestürzt, die dies nahelegen. Mit diesem Narrativ haben sich auch die Direktoren der ostdeutschen Evangelischen Akademien in ihrem siebten Fachgespräch zur Demokratie im Wahljahr 2024
beschäftigt.
„Das Wahlverhalten junger Menschen ist weitaus komplexer, als es manche Schlagzeilen nahelegen“, sagte Friederike Krippner, Direktorin der Evangelischen Akademie zu Berlin. Junge Wählerinnen und Wähler seien als Gruppe in sich so divers wie andere Alterskohorten auch. Ihr Wahlverhalten zeichne sich im Vergleich zu älteren Jahrgängen vor allem dadurch aus, dass es sprunghafter, durch mehr Experimentierfreudigkeit mit Kleinstparteien, sowie durch weniger ausgeprägte Parteibindungen gekennzeichnet sei.
Hier gelte es anzusetzen, so Krippner: „Eine Demokratie muss in demokratische Bildung investieren. Vor allem die außerschulische politische Bildung mit ihrem Freiwilligkeitsprinzip ist kein Nice-to-have, sondern eine unumgängliche Investition in die Zukunft dieser Demokratie.“ Dass an diesem Bereich seit Jahrzehnten gespart werde, sei daher fatal. Man dürfe nicht der Erzählung aufsitzen, der Staat werde seiner Neutralität nicht gerecht, wenn er Demokratiebildung in und außerhalb von Schulen fördere: „Der Staat darf sich nicht hinter einer missverstanden Neutralitätsbehauptung verstecken. Selbstverständlich muss er die Voraussetzungen dafür schaffen, dass seine Bürgerinnen und Bürger verantwortungsvolle politische Entscheidungen treffen können.“
Christoph Maier, Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt, betonte, angesichts des geringen zahlenmäßigen Gewichts von Erstwählerinnen bzw. Jugendlichen und jungen Erwachsenen sei es bemerkenswert, wie sehr sich die Berichterstattung gerade auf diese Gruppe konzentriert habe. Tatsächlich stelle es ein eigenes Problem dar, wie wenig Bedeutung für das Wahlergebnis diese Wählergruppe habe.
In einer immer älter werdenden Gesellschaft sei zu diskutieren, wie die Bedürfnisse junger Menschen stärker berücksichtigt werden könnten.
Dass stattdessen vor allem über einen vermeintlichen Rechtsruck der jungen Generation diskutiert werde, sende ein falsches Signal: „Hier bricht sich möglicherweise eine enttäuschte Hoffnung der älteren Generationen Bahn“, so Maier. „Jungen Menschen kann nicht aufgebürdet werden, was uns alle gleichermaßen betrifft. Für unser Gemeinwesen und die Hoffnung auf eine gute Zukunft tragen alle Generationen Verantwortung.“
Stephan Bickhardt
Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen
Dr. Jörg Herrmann
Direktor der Evangelischen Akademie der Nordkirche
Dr. Sebastian Kranich
Direktor der Evangelischen Akademie Thüringen
Dr. Friederike Krippner
Direktorin der Evangelischen Akademie zu Berlin
Christoph Maier
Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt
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Juli 2024
Christliche Hoffnung motiviert zum Kampf gegen den Klimawandel
Warum wir einen Green Deal 2.0 brauchen
Sechstes Fachgespräch der Direktor*innen der Evangelischen Akademien in Ostdeutschland mit Wissenschaftlerinnen, Medienvertretern und Theologen
Nach der Europawahl wird der Green Deal heftig debattiert, mit dem die bisherige EU-Kommission den Klimawandel bremsen wollte. Ist er durch den Rechtsruck gefährdet oder gar erledigt? Bleibt er ein zentrales Vorhaben der EU? Die Direktoren der ostdeutschen Evangelischen Akademien unterstützen in dieser Frage die gemeinsame Empfehlung des Umweltbundesamts und des Bundesamts für Naturschutz für einen Green Deal 2.0.
Darüber haben die Direktoren der ostdeutschen Evangelischen Akademien in ihrem sechsten Fachgespräch zur Demokratie im Wahljahr 2024 diskutiert.
„Ökologie darf keine Frage der Parteipolitik sein und ist auch zur Lösung vieler anderer drängender Probleme von zentraler Bedeutung“, sagte Sebastian Kranich, Direktor der Evangelischen Akademie Thüringen. Deshalb sollten Christlich-Konservative, Liberale, Sozialdemokraten, Grüne und Linke in der EU weiterhin kooperieren, um das Ziel der Nullverschmutzung, den Schutz von Biodiversität und Ökosystemen sowie nachhaltige Landwirtschaft und Ernährungssysteme voranzubringen, so Kranich.
Stephan Bickhardt, Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen, betonte den biblischen Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung. „Christliche Hoffnung begnügt sich nicht mit Anpassung an ein verändertes Weltklima, sondern motiviert zum Kampf gegen den Klimawandel“, so Bickhardt. Dazu bedürfe es neben technischen Innovationen auch einer Haltung des „weniger ist mehr“. In Genügsamkeit könne auch ein Mehrwert liegen.
Es brauche gleichermaßen langen Atem wie Entschlusskraft von Politik, aber auch die engagierte Unterstützung der Zivilgesellschaft, so die Direktoren. Der Versuchung der Resignation gelte es zu widerstehen. Es komme darauf an, eine Drei-Grad-Welt zu verhindern, in der weite Teile der Erde unbewohnbar würden. Zudem bedeute Klimaschutz auch Klimagerechtigkeit und sei eine Voraussetzung für nachhaltigen Wohlstand und eine friedlichere Welt.
Stephan Bickhardt
Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen
Dr. Jörg Herrmann
Direktor der Evangelischen Akademie der Nordkirche
Dr. Sebastian Kranich
Direktor der Evangelischen Akademie Thüringen
Dr. Friederike Krippner
Direktorin der Evangelischen Akademie zu Berlin
Christoph Maier
Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt
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Juni 2024
In guter Verfassung
Warum starke Institutionen keine Diktatur der Eliten sind
Fünftes Fachgespräch der Direktor*innen der Evangelischen Akademien in Ostdeutschland mit Wissenschaftlerinnen, Medienvertretern und Theologen
Trotz zahlreicher Skandale durch antidemokratische und verfassungsfeindliche Aktivitäten auf kommunaler, nationaler und europäischer Ebene scheinen die selbsternannten Alternativen, wie auch immer sie heißen, für viele Menschen immer noch wählbar. In schwierigen Zeiten gibt es ein starkes Bedürfnis nach Kontrolle und einfachen Antworten. Das zeigt sich in der oftmals irrationalen Zustimmung zu autoritären und institutionsfeindlichen Bewegungen und Parteien. Irrational ist diese Zustimmung deshalb, weil die Ziele dieser Bewegungen und Parteien in der Regel auch ganz direkt den Interessen derjenigen widersprechen, die ihnen das Vertrauen schenken.
Christoph Maier, Direktor der Evangelischen Akademie in Wittenberg, mahnt allerdings auch zur Gelassenheit und hebt hervor, dass sich jetzt zeigen werde, „dass wir starke Institutionen haben und sprichwörtlich in guter Verfassung sind. Freiheit und Mitbestimmung durch starke Repräsentanz, das sind die Werte, die sich durchsetzen werden und darauf können wir ganz unaufgeregt vertrauen. Vertrauen können wir in das Grundprinzip der Subsidiarität und vertrauen können wir auf den zwanglosen Zwang des guten Arguments. Dazu wird es von der Zivilgesellschaft zweierlei brauchen – auch nach der Wahl: Geduld und Beharrlichkeit.“
Daran müsse man immer wieder erinnern und dem eigenen Bedürfnis nach zu starker Kontrolle widerstehen. Starke Institutionen bedeuteten eben nicht notwendigerweise mehr Kontrolle und mehr Bürokratie. Hier gelte es, das rechte Maß zu finden und zu halten. Jörg Herrmann, Direktor der Evangelischen Akademie in Norddeutschland, erinnert an die wichtige Funktion der europäischen Institutionen: „Wir brauchen Europa in diesen Krisenzeiten mehr denn je. Damit die Demokratie stark bleibt und alles für den Frieden getan wird. Damit es mit dem Klimaschutz vorangeht und mehr soziale Gerechtigkeit verwirklicht wird.“ Dafür können am Wochenende in Deutschland erstmals auch Jugendliche ab 16 Jahren stimmen. In der gesamten EU sind mehr als 400 Millionen Bürgerinnen und Bürger in 27 Staaten zur Wahl aufgerufen. „Jede Stimme zählt. Sie kann Europa barmherziger machen. Jede Stimme für eine demokratische Partei ist ein Schritt auf dem Weg hin zu einem Europa der Bürgerinnen und Bürger, in dem das gemeinsame Haus eines Tages wichtiger ist als nationale Interessen,“ führt Jörg Hermann aus und fordert: „Gehen wir die Demokratie verteidigen, mit einem langen Atem und Vertrauen in ihre Möglichkeiten, Gutes für alle hervorzubringen. Verhindern wir, dass Europa weiter nach rechts rückt!“
Stephan Bickhardt
Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen
Dr. Jörg Herrmann
Direktor der Evangelischen Akademie der Nordkirche
Dr. Sebastian Kranich
Direktor der Evangelischen Akademie Thüringen
Dr. Friederike Krippner
Direktorin der Evangelischen Akademie zu Berlin
Christoph Maier
Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt
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Mai 2024
Den Vormarsch der extremen Rechten stoppen
Warum die Europawahl richtig wichtig ist
Viertes Fachgespräch der Direktor*innen der Evangelischen Akademien in Ostdeutschland mit Wissenschaftlerinnen, Medienvertretern und Theologen
Der Vormarsch rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien in Europa ist Realität. Welche Gefahren sind mit ihm verbunden? Was lässt sich ihm entgegensetzen? Anlässlich der Europawahl am 9. Juni haben die Direktor*innen der ostdeutschen Evangelischen Akademien darüber in ihrem vierten Fachgespräch zur Demokratie im Wahljahr 2024 mit Fachleuten diskutiert.
„Wir erleben die schleichende Normalisierung von Themen und Taktik der extremen Rechten“, sagte Sebastian Kranich, Direktor der Evangelischen Akademie Thüringen. „Eine hasserfüllte Sprache und verbale Drohungen münden in Gewalt gegen demokratische Politiker*innen. Asylsuchende werden zu Sündenböcken gemacht. Schutz-, Minderheiten-, Frauen- und Bürgerrechte sind in etlichen europäischen Ländern bereits eingeschränkt worden.“ Auch das überwunden geglaubte Führerprinzip finde über post- und neofaschistische Parteien wieder Anklang in Europa, kritisierte Kranich.
Friederike Krippner, Direktorin der Evangelischen Akademie zu Berlin, stellte fest: „Rechtspopulistinnen und Rechtsextremisten spielen ein doppeltes Spiel. Sie präsentieren sich als antibürgerlich und staatsfern. Einmal an die Macht gekommen, machen sie den Staat zur Beute und bauen dessen Institutionen um.“ Zugleich suchten sie den Anschluss an bürgerliche Kräfte. Im europäischen Parlament könnten sie als Mitglieder konservativer Fraktionen ihre Agenda Stück für Stück vorantreiben. Es stünde auch in der Verantwortung konservativer Parteien, rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien nicht in ihre Fraktionen aufzunehmen.
Für Europa stehe viel auf dem Spiel, so die Direktor*innen. Es gelte daher, wirtschaftliche und soziale Probleme, die den Nährboden dieser Entwicklungen bildeten, in den Ländern konstruktiv anzugehen. Zudem müssten Menschen besser politisch gebildet und so befähigt werden, die Untauglichkeit rechter Rezepte zur Problemlösung zu erkennen. Bei der Europawahl am 9. Juni komme es darauf an, dass Demokraten und EU-Befürworterinnen die Mehrheit erhielten. Jede Stimme zähle.
Denn das Europäische Parlament setze in vielen Themenfeldern den Politik- und Rechtsrahmen der Mitgliedsländer. Was in Brüssel entschieden werde, bestimme die Politik in den EU-Staaten massiv – und das mit gutem Grund, denn viele Aufgaben (z.B. Klimakrise, Sicherheit etc.) könnten nur gemeinsam bewältigt werden. Seiner wichtigen Aufgabe müsse das Europaparlament auch nach der Wahl im Juni weiterhin gerecht werden können.
Stephan Bickhardt
Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen
Dr. Jörg Herrmann
Direktor der Evangelischen Akademie der Nordkirche
Dr. Sebastian Kranich
Direktor der Evangelischen Akademie Thüringen
Dr. Friederike Krippner
Direktorin der Evangelischen Akademie zu Berlin
Christoph Maier
Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt
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April 2024
Warum wir weiterhin Parteien brauchen
Parteiendistanz als Bedrohung parlamentarischer Demokratie
Drittes Fachgespräch der Direktoren der Evangelischen Akademien in Ostdeutschland mit Wissenschaftlerinnen, Medienvertretern und Theologen
Wie lässt sich Erfahrungen der Distanz zur parlamentarischen Demokratie entgegenwirken? Was kann man der auch medial hoch wirksamen Erzählung von einer gesellschaftlichen Spaltung insbesondere im Osten Deutschlands entgegensetzen? Darüber haben die Direktoren der ostdeutschen Evangelischen Akademien in ihrem dritten Fachgespräch zur Demokratie im Wahljahr 2024 mit Fachleuten diskutiert.
„Wir wissen einerseits aus Umfragen, dass es im Osten sehr hohe Zustimmungswerte zur Demokratie als Staatsform gibt“, sagte Friederike Krippner, Direktorin der Evangelischen Akademie zu Berlin. „Andererseits ist die Unzufriedenheit mit der gelebten parlamentarischen Demokratie höher als im Westen Deutschland. Das macht es einer ihrem Wesen nach antidemokratischen Partei wie der AfD besonders leicht, Zustimmung zu erhalten: Sie inszeniert sich als Gegenprogramm zu den demokratischen Parteien.“
Eine weitere Herausforderung bestehe in einer historisch erklärbaren Distanz im Osten zu politischen Parteien an sich. Vor allem auf kommunaler Ebene werde das deutlich, wo sehr viele parteilose Menschen die Geschicke von Kommunen lenkten, so Krippner: „Dieses Phänomen ist Symptom wie auch Katalysator einer gewissen Distanz zur parlamentarischen Parteiendemokratie. Das ist ambivalent. Denn so hervorragend die Arbeit vor Ort oft auch ist: Wo Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nicht in Parteien eingebunden sind, haben sie auch keine Möglichkeit, eine Brücke zwischen ‚denen da oben‘ und denen zu bilden, die vor Ort Probleme erlebbar lösen.“
Christoph Maier, Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt, betonte, dass es im Osten sehr starke und positive Erfahrungen mit gelebter Demokratie gebe. Er erinnerte etwa an die demokratischen Bewegungen, die einst die Friedliche Revolution von 1989 ermöglichten. Dieser positive Erfahrungsraum sei gleichermaßen Herausforderung wie Chance: „Wenn wir über die Stärkung der Demokratie sprechen, müssen wir in Betracht ziehen, dass Menschen damit sehr Unterschiedliches verbinden: Reden wir über die Idee einer Straßendemokratie mit Protest und Demonstrationen? Geht es um basisdemokratische Beteiligungsmöglichkeiten zur Gestaltung unserer unmittelbaren gesellschaftlichen Umgebung? Oder sprechen wir über das langfristige Engagement in einer demokratischen Partei?“
Möglicherweise müsse man angesichts schrumpfender Parteien viel stärker als bisher darüber nachdenken, wie sich Demokratie jenseits des Parteienspektrums praktizieren lasse – etwa durch Formate wie Bürgerräte oder runde Tische. Dies könne die Vorteile der parlamentarischen Demokratie aber nur ergänzen und nicht ersetzen. Daher müsse zugleich das Vertrauen in die parlamentarischen Parteiendemokratie gestärkt werden. Dies sei Aufgabe nicht nur der Politik, sondern auch zivilgesellschaftlicher Kräfte, so Maier: „Aufgabe beider großen Kirchen und insbesondere ihrer Akademien ist in der derzeitigen Situation unbedingt, das Zutrauen in die parlamentarische Demokratie zu stärken oder neu aufzubauen. Dazu gehört, auch schwierige politische Debatten zu ermöglichen, kirchliche Räume zu öffnen und mit Veranstaltungen in die Fläche zu gehen.“
Stephan Bickhardt
Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen
Dr. Jörg Herrmann
Direktor der Evangelischen Akademie der Nordkirche
Dr. Sebastian Kranich
Direktor der Evangelischen Akademie Thüringen
Dr. Friederike Krippner
Direktorin der Evangelischen Akademie zu Berlin
Christoph Maier
Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt
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März 2024
Dialog oder klare Kante?
Zweites Fachgespräch der Direktorinnen und Direktoren der Evangelischen Akademien in Ostdeutschland mit Wissenschaftlerinnen, Medienvertretern und Theologen
Im März stand das Treffen unter dem Titel „Dialog oder klare Kante“. Dr. Friederike Krippner, Direktorin der Evangelischen Akademie zu Berlin formulierte angesichts der Agenda dieser Parteien, insbesondere der AfD: „Viele Menschen sagen, mit der AfD müsse man reden wie mit anderen Parteien und sie etwa zu Podien einladen, weil sie eine demokratisch gewählte Partei sei. Aber: Die AfD nutzt den demokratisch verfassten Staat in der Absicht, ihn Schritt für Schritt abzuschaffen. Ein Blick in die Geschichte oder in Nachbarländer zeigt: Diese Gefahr für die Demokratie ist real.“
Gerade darum müssten demokratische Kräfte nun um Sachthemen streiten, ergänzte Krippner: „Um unserer Zukunft willen sollten Unterschiede im Blick auf die Einstellungen der Menschen wahrgenommen und angesprochen werden. Aufreibende Dialoge müssen wir führen und nicht vermeiden.“
Angesichts dessen komme dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk insbesondere eine Informations- und Nachfrageaufgabe zu, so die Direktorinnen und Direktoren der Akademien: Was Menschen bewegt, umtreibt oder wütend macht, sollte unabhängig berichtet werden. Problemanzeigen der Bürgerinnen und Bürger müssten ernst genommen werden, Haltungen zum menschlichen Umgang miteinander gilt es aufzuspüren. Bezüglich der umstrittenen Migrationspolitik dürfe kein verzerrtes Bild entstehen. Denn vielfach seien bereits adäquate Lösungen entwickelt worden. Dazu sagte Dr. Sebastian Kranich, Direktor der Evangelischen Akademie Thüringen: „Es ist Kalkül der extremen Rechten, eine schlechte Grundstimmung herbeizureden und zu forcieren. Krisenerzählungen werden angeboten, wo andere längst an Lösungen arbeiten. Da hilft nur Farbe bekennen, Haltung zeigen und mit Argumenten anknüpfen.“
In dem Gespräch wurde deutlich, dass Tabubrüche, Überwältigungs- und Einschüchterungsversuche abgewehrt werden müssen. Für die kirchliche Praxis bedeutet das, AfD-Funktionärinnen und -Funktionäre dürfen keine Vertreter in kirchlichen Gremien sein; ihnen eine Bühne zu geben verbietet sich von selbst. Es ist empfehlenswert, in diesem Zusammenhang klar zwischen solchen Funktionären und ihren Wählerinnen und Wählern zu unterscheiden. Auf die Konsequenzen einer Wahlentscheidung für die AfD kann sinnvollerweise argumentativ hingewiesen werden. Hier sollte dem geduldigen Einzelgespräch viel mehr zugetraut werden als bisher.
Dazu sagte Akademiedirektorin Krippner: „Das Gespräch zu suchen mit dem einzelnen Menschen, den ich kenne, lohnt immer. Beziehung ist stärker als Propaganda. Aber das Gespräch im öffentlichen Rahmen mit AfD-Funktionären lehne ich mittlerweile ab. Wir erleben, wie das öffentliche Gespräch durch Missachtung aller Regeln des Diskurses für Propaganda missbraucht wird. Anschließend inszeniert man sich dann noch als Opfer, dessen freie Meinungsäußerung unterdrückt wird.“
Es bleibe ein grundlegender christlicher Impuls, immer wieder auf Einzelne zuzugehen. Dies dürfe aber nicht verwechselt werden mit mangelnder Abgrenzung gegenüber Organisationen und ihren Programmen, Parolen und führenden Personen, wenn diese die Würde jedes Einzelnen nicht respektieren und das Grundgesetz missachten.
Der Thüringer Akademiedirektor Kranich macht aufmerksam: „Manches Mal verstecken sich rechtsnational gesinnte Menschen hinter Positionen, die sie konservativ nennen, und versuchen das breite Spektrum von Demokratinnen und Demokraten aus der Mitte der Gesellschaft zu ihrer Gesinnung hinzuführen. Von denselben Rechtsnationalen können konservative Positionen als gestrig und die eigenen demgegenüber als fortschrittlich bezeichnet werden. Der christliche Prüfstein sollte immer der Schutz des Menschen und seiner Persönlichkeit bleiben. Wenn es um die kommenden Wahlentscheidungen geht, sind Christinnen und Christen aufgefordert, auf diesen Prüfstein hinzuweisen.“
Die Akademiedirektoren sind sich einig: Drohender Rechtsstaatsabbau kann nur verhindert werden, wenn sich Demokratinnen und Demokraten, Christinnen und Christen dagegen wehren. Menschen mit demokratiefeindlichen Einstellungen dürfen nicht die Macht übernehmen.
Stephan Bickhardt
Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen
Dr. Jörg Herrmann
Direktor der Evangelischen Akademie der Nordkirche
Dr. Sebastian Kranich
Direktor der Evangelischen Akademie Thüringen
Dr. Friederike Krippner
Direktorin der Evangelischen Akademie zu Berlin
Christoph Maier
Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt
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Februar 2024
Konsens und Konflikt
Erstes Fachgespräch der Direktorinnen und Direktoren der Evangelischen Akademien in Ostdeutschland mit Wissenschaftlerinnen, Medienvertretern und Theologen
Mit regelmäßigen Stellungnahmen zur Demokratie treten die Direktor*innen der fünf ostdeutschen Evangelischen Akademien ab sofort öffentlich für eine differenzierte und klare Haltung zu gesellschaftlichen Fragen ein. Dazu laden sie im Superwahljahr 2024 monatlich Gäste aus Gesellschaft, Wissenschaft, Kirche und Politik zu einem Hintergrundgespräch ein und melden sich anschließend jeweils mit gemeinsamen Stellungnahmen zu Wort. Den Auftakt der gemeinsamen Aktion bildete eine Gesprächsrunde zu Konsens und Konflikt.
Die Evangelischen Akademien in Ostdeutschland treten dafür ein, Konfliktthemen im Rahmen eines demokratischen Streites in der Mitte der Gesellschaft zu diskutieren. „Kirchen und gerade die Evangelischen Akademien sind schon immer Räume, in denen Reizthemen offen und fair diskutiert werden können. Wir brauchen den Streit um die besten Lösungen in der Mitte der Gesellschaft“, sagt Stephan Bickhardt, Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen.
Ausdrücklich unterstützen die Akademien die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus an vielen Orten und wollen diese ermutigenden Zeichen bestärken. „Einigkeit besteht zum Glück im klaren Widerspruch gegen Rechtsextremismus in unserem Land“, sagte der Dresdner Akademiedirektor Bickhardt. „Einigkeit besteht aber auch darin, dass es große Herausforderung gibt und unterschiedliche Antworten darauf.“ Bickhardt betont, dass in der Kirche genug Raum sei, um vielfältige Meinungen über strittige Fragen stärker zuzulassen. „Die Pluralität der Mitte muss anerkannt werden.“ Dies gelte beim Thema Migration genauso wie beim Klimawandel und dem notwendigen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft oder auch beim Thema Frieden.
Thematisch bezog sich die Gesprächsrunde auf ein Papier der Kammer für öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit dem Titel „Konsens und Konflikt: Politik braucht Auseinandersetzung“. Einen kritischen Blick auf dieses Papier von 2017 wirft Sebastian Kranich, Direktor der Evangelischen Akademie Thüringen: „Die Grenzen zum Rechtspopulismus waren gezogen, aber nicht beim Namen genannt.“ Die AfD, so Kranich, müsse heute viel direkter adressiert werden. „Die AfD tritt offen kirchenfeindlich auf. Die Unvereinbarkeit ihrer Propaganda mit dem ethischen Kern des Christentums muss jedem klar sein.“
Einig waren sich die fünf Direktor*innen zum Abschluss ihrer Gesprächsrunde, dass der Einsatz für eine offene und plurale Gesellschaft lohnt. „Demonstrieren hilft! Der zweite Schritt heißt: sich einmischen in die politischen Fragen, sich die Meinungsvielfalt nicht nehmen lassen. Wir brauchen keinen Überbietungswettbewerb am rechten Rand. Vielmehr braucht es die Fähigkeit, sich differenziert und informiert in komplexen Konflikten zu äußern.“
Stephan Bickhardt
Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen
Dr. Jörg Herrmann
Direktor der Evangelischen Akademie der Nordkirche
Dr. Sebastian Kranich
Direktor der Evangelischen Akademie Thüringen
Dr. Friederike Krippner
Direktorin der Evangelischen Akademie zu Berlin
Christoph Maier
Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt
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