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Eine „Krise-Krise“ der Kitas


20. Januar 2021

Aktuelle Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kitas – die Kinder, die Eltern und die Erzieher:innen

Ein Interview mit Prof.’in Dr.‘in Silvia Hamacher und Katja Belenkij aus dem Expert:innen-Team Kita der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e.V.

Christian Kurzke, Evangelische Akademie Sachsen: Beschreiben Sie doch bitte einmal mit vier oder fünf Gedanken die derzeitige Situation der Kitas und somit eben die Situation der Kinder, der Eltern und der Fachkräfte.

Prof.’in Dr.‘in Silvia Hamacher / Katja Belenkij: Lieber Herr Kurzke, wir  finden die Situation für alle beteiligten Gruppen dramatisch. In verschiedenen Bundesländern bleiben Einrichtungen geschlossen, in anderen entscheiden die Erzieher:innen und Leiter:innen, welche Kinder kommen dürfen und wer nicht. Wieder in anderen Bundesländern wurden systemrelevante Berufsgruppen benannt, die ihre Kinder in die Kita bringen dürfen, alle anderen Kinder dürfen nicht gebracht werden.

Es gibt unübersichtliche Regeln in Deutschland, es gibt keine einheitliche Idee einer Beantwortung des Infektionsgeschehens im Handlungsfeld Kita, da die Antworten in den Bundesländern sehr heterogen sind. Eines ist aber bei allen von Ihnen in der Frage aufgeführten beteiligten Gruppen gleich: Es ist ordentlich Druck im Kessel. Keiner ist mit der Situation zufrieden und alle lösen die Situation nach besten Wissen und Gewissen und auf ihrer Weise, entsprechend angepasst an die von ihrem Bundesland vorgegeben Länderverordnungen.

Katja Belenkij
Prof. Silvia Hamacher

Das sind in Anbetracht dessen, dass wir mitten in einer globalen und seit Generationen so nicht erlebten Pandemie leben, doch recht starke Worte. Aufgrund welchen Wissens bewerten Sie die aktuelle Zeit so?

Wir sind Mitglieder:innen eines Expert:innenteams der deutschen Gesellschaft für systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF e.V.). Diese Gesellschaft verbindet als berufsübergreifender Fachverband systemisch arbeitende Fachkräfte, und dazu gehören auch Fachkräfte im Handlungsfeld Kita. Wir sind hier bundesweit vernetzt mit Fachkräften, die im Handlungsfeld Kita arbeiten, mit Eltern oder mit Fachkräften, die fachlich mit dem Feld verbunden sind. Dabei arbeiten wir insbesondere mit Coaching, Beratung, Fort- und Weiterbildung, Supervision, Therapie u.v.m.

Wir bekommen mit, dass das System Kita, das vor der Pandemie schon in einer Krise war, eine weitere Krise bewältigen muss. Wir nennen es „Krise-Krise“. Das Handlungsfeld Kita stand schon vorher vor unüberwindbaren strukturellen und funktionalen Schwierigkeiten, also vor Ressourcenverknappungen, z.B.: Fachkräftemangel, unzureichend ausgebaute Räume für lange Öffnungszeiten, geringem Erzieher:innen-Kind-Schlüssel usw. Die Kita war also schon am Limit des Möglichen. Die krisenhafte Problemlage der Pandemie und ihrer notwendigen Verordnungen und Anpassungen im Alltag des Kitageschehens potenziert sich durch die neue Krise. Den Bedarfen und Bedürfnissen aller im System gerecht zu werden, gerät mit der Pandemie in eine weitere Krise.

Inwiefern lässt sich dies aktuell, also während der Pandemie, überhaupt korrigieren?

Wir möchten Ihre Frage gerne umformulieren, Herr Kurzke. Es geht hier gar nicht um eine Art Korrektur. Vielmehr geht es im aktuellen Pandemiegeschehen um die Frage, wie die beteiligten Akteure (Kinder, Erzieher:innen und Eltern) Antworten auf ihre so lauten Fragen des „Es geht nicht mehr!“ finden können. Was wäre es uns als Gesellschaft wert hierfür Regelungen zu entwickeln, die Kinder, Eltern, Erzieher:innen klar schützen, aber auch die Bedürfnisse der Kinder (und Eltern) nach Betreuung, Erziehung und Bildung berücksichtigen. Große Verbände machen gerade sehr deutlich, was es bedarf: Vom Arbeitsschutz bis zum Stufenplan gibt es gute Ideen, für diese sind politische Antworten notwendig. Zudem müssen wir bedenken, welche Auswirkungen unsere Anpassung der Pädagogik auf Sicherheits- und Hygienestandards auf Kinder und ihre Entwicklung haben – das haben wir nach unserer Ansicht noch nicht gut im Blick.

Wo sehen Sie Chancen, was ist kitapolitisch dringend nach der Pandemie anzugehen und wie muss in diesen Prozessen eine Beteiligung der Betroffenen ermöglicht werden?

Lassen Sie uns erst einmal durch die Pandemie kommen und uns überlegen wie wir mit Corona leben, dann können wir uns darüber unterhalten wie es weitergeht. Gehen wir mal einen Schritt nach dem anderen.

Hintergrund

Am 26. Januar 2021 findet der erste Teil der digitalen Veranstaltungsreihe

„Corona: Soziale Kosten und soziale Folgen

Teil I: Kitas / Kindertagesstätten

Die Pandemie als Katalysator längst zu beantwortender Fragen

statt. Anmeldung, Detailprogramm und weitere Informationen HIER.

Die Veranstaltungsreihe ist eine Kooperation der Evangelischen Akademie Sachsen mit der Fachhochschule Erfurt sowie der Evangelische Hochschule Dresden.

Interviewpartnerinnen

Während der Veranstaltung sind die beiden Interviewpartnerinnen nach einem inhaltlichen Impulsbeitrag Gesprächs- und Diskurspartnerinnen.

  • Prof.’in Dr.‘in Silvia Hamacher

Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen

Expert:innen-Team Kita der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e.V. – DGSF e.V.

  • Katja Belenkij

Expert:innen-Team Kita der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e.V. – DGSF e.V.

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