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Bewährungsprobe Krisenfall: Was hat gute Führung mit dem Raumschiff Enterprise zu tun?


14. April 2020

Fragen an den Psychologen Dr. Olivier Elmer

Von Dr. Kerstin Schimmel

 

In Zeiten der Krise sind viele Teams besonders gefordert. Du bist ja auch im Bereich Organisationsentwicklung tätig. Welche Art von Führung ist nach deiner Erfahrung derzeit hilfreich?

Dr. Olivier Elmer: Das wird dich überraschen: Ich glaube, dass Teams davon profitieren, wenn sie sich an der Science-Fiction-Serie Star Trek orientieren – und zwar an Captain Picard.

 

Das musst du erläutern!

Dr. Olivier Elmer: Zunächst ist Captain Picard mutig: Er hat nämlich ganz unterschiedliche Crewmitglieder integriert, die alle ihre besondere Perspektive einbringen. Allen hört er aufmerksam und wertschätzend zu. Erst dann entscheidet er – und trägt die Verantwortung.

 

Er sorgt also dafür, dass aus den vielen Stimmen ein Konzert entsteht.

Dr. Olivier Elmer: Genau! Er bleibt der Dirigent, aber er weiß, dass er ohne Orchester einpacken kann. Und dabei hilft ihm eine Mischung aus Humor und Herz. Es ist ein etwas trockener Humor, der auch zur Selbstironie fähig ist – und nie verletzend. So schafft er es, dass gemeinsam gelacht werden kann statt übereinander.

 

Wie sehr darf eine Führungsperson dabei sie selbst sein?

Dr. Olivier Elmer: Sie oder er muss echt sein, sich nicht verstellen. Das ist aber nicht gleichzusetzen mit egozentrischer Selbstdarstellung. Picard ist souverän, ohne den Alpha-Rüden zu spielen. Er ist selbstbewusst, aber nicht auf Kosten anderer. Picard lässt seinen Gefühlen nicht ungebremsten Lauf, bleibt professionell. Aber er lässt Gefühle zu, bei sich und anderen. Und er akzeptiert Misserfolge, ohne einen Sündenbock zu suchen.

 

Das hält ein Team auch in Zeiten der Krise zusammen?

Dr. Olivier Elmer: Auf jeden Fall. Im Raumschiff Enterprise ist ja dauernd Krise, das ist bei uns Gott sei Dank anders. Aber auch für uns gilt: Teams, die vorher nicht funktioniert haben, werden sich auch in der Krise schwertun. Aber eine Crew, die aufeinander abgestimmt ist, wächst in Krisenzeiten noch mehr zusammen. Vor allem, wenn der Captain präsent ist, als Vorbild wirkt und so ein Lernen am Modell ermöglicht. Und wenn es ihr oder ihm gelingt, einen Sinn zu vermitteln. Ein Team, das nicht weiß, warum es schuftet, löst sich in Einzelinteressen auf nach dem Motto „Rette sich, wer kann!“.

 

In Krisenzeiten wird ja oft nach „starker Führung“ gerufen…

Dr. Olivier Elmer: Aber „stark“ ist eben nicht gleich „autoritär“. Stärke von Führungspersonen erwächst aus ihrer Glaubwürdigkeit, nicht aus gebrüllten Befehlen von der Kommandobrücke. Im Übrigen denke ich auch nicht, dass die Krisenbewältigung besser gelingt, wenn wir demokratische Spielregeln komplett aushebeln.

Klar, in Krisen müssen Entscheidungen rasch und pragmatisch getroffen werden. Das gelingt aber vor allem dann, wenn bereits vorher ein hohes Maß an Partizipation verwirklicht war. Ein Beispiel aus meinem Betrieb, einem psychiatrischen Krankenhaus: Bei uns haben Personalrat und Geschäftsleitung vereinbart, bestimmte Mitbestimmungsrechte befristet einzuschränken, um schnell auf eine sich schnell wandelnde Gemengelage wie massive Personalausfälle durch Quarantänen reagieren zu können. Das gelingt aber nur bei gegenseitigem Vertrauen und wenn die Mitbestimmung vorher funktioniert hat – und jederzeit wieder in Kraft gesetzt werden kann. Und das gilt für Staaten und Unternehmen: ein Herr Orbán ist eben kein Captain Picard. Solche Führungspersonen werden nur Scheinlösungen produzieren.

 

Foto: Gerd Altmann auf Pixabay

2 Kommentare zu “Bewährungsprobe Krisenfall: Was hat gute Führung mit dem Raumschiff Enterprise zu tun?”

  1. Kathrin Mette schrieb am 21.04.2020 um 07:26 Uhr:
    Ja bitte mehr Jean-Luc Picards in den Kommandozentralen dieser Welt ... auch gern in der Kirche.
    • Olivier Elmer schrieb am 22.04.2020 um 16:20 Uhr:
      Da stimme ich Ihnen zu - und es dürfen gerne auch viele JEANNE-Luc Picards dabei sein... ;)

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