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Minuten bei Gott – Erinnern und Freude


17. Juni 2020

Von Stephan Bickhardt

 

Gott,
jeder Tag hat seine Aufgabe,
jeder Tag ein Datum.
Wir bitten dich um Versöhnung
durch Einsicht.
Wir bitten dich um Einsicht
bei denen, die hassen,
bei denen, die rassistisch handeln.
Wir sind erschüttert, was Menschen
Menschen antun.
Bei der Suche nach der Wahrheit
ist Jesus Christus das Bild.
Bilde du mich von ihm her
seiner Gnade, seiner Wahrheit.
Und lass mich
Freundlichkeit, Freude und Freundschaft
erleben.
Amen.

 

Der 17. Juni 1953 und heute

Eine Ärztin sprach diese Worte: zur Überwindung der Corona-Krise und anderer könne die Demokratie eingeschränkt werden. Ich widersprach heftig. Ich war umso mehr schockiert als die Dame von der ersten Stunde an bei den Leipziger Montagsdemonstrationen dabei war. Wenn wir Menschen nicht mehr Bürger sind, die verantworten, was sie tun in einem demokratischen Prozess, dann fällt Europa zurück und die Probleme werden noch viel dramatischer als heute.

Woher kommt es, dass viele kein Vertrauen in rechtsstaatliche Instrumente haben, von denen wohl die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit die entscheidende ist? Am 17. Juni 1953 gingen in Berlin, Leipzig, vielen kleinen und großen Ortschaften Arbeiter und Arbeiterinnen auf die Straße und protestierten gegen willkürliche Normerhöhungen in der Bauwirtschaft und anderswo. Sie nahmen ein Recht wahr, das Streikrecht. Und sie übten damit die Wahrnehmung demokratischer Rechte aus. Sind wir es ihnen und den Toten, den Verletzten, den Opfern nicht schuldig, auch heute für demokratische Rechte einzustehen?

DIENET DEM HERRN MIT FREUDEN, heißt heute die Herrnhuter Losung, Psalm 100,2 Das mag gar nicht passen zur Erinnerung an die Arbeiterproteste heute vor 67 Jahren. Vielleicht doch. Der Gottesglaube wird häufig überhaupt nicht mit Freude in Verbindung gebracht. Dabei ist die Freude irdisches und ewiges Ziel für den Menschen, der in Schuld befangen ist. In Analogie kann gesagt werden, wie der Glaube zur Freude am Leben führt, so gründet das Gemeinwesen in einer lebendigen Beteiligung möglichst vieler. Sonst kann von Demokratie keine Rede sein.

Der fröhliche Psalm 100 endet mit den Worten: DENN DER HERR IST FREUNDLICH,/ UND SEINE GNADE WÄHRET EWIG UND SEINE WAHREIT FÜR UND FÜR. Inzwischen verbinden viele Menschen die Wahrheit der Worte aus der Bibel mit der Wahrheitssuche im Leben und in der Zeitgeschichte. Und zu dieser Wahrheit gehört unzweifelhaft, dass ein allgemeines Gefühl für die Opfer der Arbeiterproteste, niedergeschlagen von Menschen in Panzern, nicht vorhanden ist.

Freude, die Wahrheit und die bittere Seite der Geschichte – wie gehört das zusammen? Ich habe immer wieder in Gesprächen erlebt, dass Menschen in Scham stehen und nicht über ihre Haft im DDR-Gefängnis, über ihre Benachteiligungen in der Diktatur sprechen können. Wie kommt das? Weil wir ein abgeklärtes Verhältnis zur Wahrheit haben? Es könnte sein, dass es die Berufung von Christen ist, unbequeme Fragen zu stellen, sensibel zu sein für die Verfolgten, die Jesus selig nennt. Es geht um Gerechtigkeit.

Und es gehört zum Berührenden, wenn Menschen durch alles Leiden hindurch zu echter Freude kommen, wenn sie lachen und nicht vorher wissen, dass sie lachen werden. Der Christ und die Christin sind gerufen zu verteidigen die Würde des Menschen konkret und zu dienen – Gott. Da kann Freude vielfach sein, vor allem völlig überraschend da sein.

Leipzig, um den 17. Juni 1953. Quelle: Bundesarchiv, B 285 Bild-14676 / Autor unbekannt / CC-BY-SA 3.0

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