Nachrichten

Von wegen „sozial schwach“


4. April 2020

Armut, Corona, junge Menschen und wir

Von Christian Kurzke

 

Die falsche Bezeichnung „sozial schwache Menschen“ ist ständig in Zeitungsartikeln und Nachrichtensendungen, in Gesprächen auch auf Fachtagungen oder in politischen Reden zu hören und zu lesen. Das ist irritierend, verweist doch die einschlägige Wissenschaft seit langer Zeit darauf, dass diese Zuschreibung für arme Menschen nicht korrekt, sondern sogar problematisch ist. Denn „sozial schwach“ drückt eine Unfähigkeit aus und kann verstanden werden als ein egoistisches oder unsolidarisches Verhalten im Blick auf die der Gemeinschaft dienenden Handlungen. Es wird demnach als ein Merkmal des Charakters beschrieben.

Wie schwierig diese Bezeichnung ist, verdeutlichen die Auswirkungen der Corona-Pandemie sehr eindrücklich. Denn vor allem diejenigen, die bereits vor der Corona-Pandemie gesellschaftlich marginalisiert und durch fehlende Teilhabemöglichkeiten benachteiligt waren, sind aktuell noch einmal besonders intensiv betroffen: arme Menschen. Der folgende Beitrag wird sich vor allem mit armen Kinder, Jugendlichen und deren Eltern befassen.

Auffallend ist, dass dieses Thema derzeit in den Medien häufig aufgegriffen wird, obwohl es eigentlich seit vielen Jahren beständig vorhanden ist. Aus der Perspektive des Studienbereichs Jugend der Evangelischen Akademie Meißen ist anzumerken, dass diese Thematik nunmehr seit mind. drei Jahrzehnten immer wieder in Fachtagungen aufgegriffen wird, denn sie bildet gewissermaßen einen roten Faden in allen Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe und bedarf immer wieder konkrete fachliche Reaktionen, sowohl für die Klientel bzw. die Adressat*innen, als auch gegenüber den politischen Entscheidungstragenden.

 

Erschöpfung

Über wen würden wir eigentlich auch ohne das Corona-Virus sprechen? Zu den konkreten Zahlen und einer vertiefenden Analyse folgt in den kommenden Tagen an dieser Stelle ein vertiefendes Interview mit Heinz Hilgers, dem Präsidenten des Deutschen Kinderschutzbundes e.V. Doch bereits in diesem Artikel sinnbildlich die Statistik aufzugreifen bedeutet, dass je nach Region in Deutschland etwa jeder vierte oder fünfte junge Mensch, dem wir bspw. auf der Straße begegnen, in Armutsverhältnissen lebt.

Prof. em. Dr. Ronald Lutz hat sich seine gesamte wissenschaftliche Laufbahn mit der Thematik befasst und bereits jetzt eine Publikation angestoßen, die sich mit der Sozialarbeit nach der Corona-Pandemie befassen wird. Die Statistik übersetzt er zügig und entschieden: es gilt vor allem über junge Menschen zu sprechen, deren Eltern ein geringes Einkommen haben, in Teilzeit arbeiten, Hartz IV beziehen, alleinerziehend sind oder die in einem migrantischen Kontext aufwachsen oder selbst auf der Straße leben. Besonders deutlich werden die Auswirkungen von Armut bei jungen Menschen. Lutz bezeichnet Armut als eine Ausgrenzung von den Möglichkeiten.

Das betrifft nicht nur den konkreten Konsum an allgemeinverfügbaren Gütern. Sondern auch die Teilhabe an geldgebundenen kulturellen Angeboten oder den Genuss von Urlaub durch das Verreisen. Aber auch in zwei anderen wesentlichen Kontexten wirke Armut besonders intensiv: arme junge Menschen haben deutlich geringere Bildungschancen und beschreiten vor allem die unteren Bildungswege, trotz der zurückliegenden Bildungsexpansion in Deutschland. Und Gesundheitsstudien zeigen, dass arme junge Menschen ein höheres Infektionsrisiko haben, sich schlechter ernähren – verbunden mit allen Folgeproblematiken, unter Schlafstörungen leiden und nicht selten ein aggressives Verhalten aufgrund des Alltagsstresses eine Folgeerscheinung ist.

Alle diese Aspekte führen zu gesellschaftlichen Interventionsnotwendigkeiten, wofür Finanzen, Fachkräfte und Strukturen notwendig sind. Lutz hat als Reaktion für diese klar benennbaren Fakten die Bezeichnung der „erschöpften jungen Menschen“ geprägt. Denn wenn ein junger Mensch tagtäglich erlebt, dass das, was er machen möchte, er nicht machen kann, entstünde eine Müdigkeit. Diese nährt sich in dem Erleben, dass durch die arme Lebenslage und die stete Begleitung durch Institutionen wie auch der Bewilligungsbehörde eine Kontrolle bspw. auch eine Vertrauensfrage und ein Misstrauen besteht. Zu selten gelänge eben trotz dieser Begleitung und der Kontrolle ein Ausbrechen aus der armen Lebenssituation. Eine Konsequenz ist das Arrangieren mit der Situation, um „über die Runden zu kommen“, was viele Eltern den Kindern dann vorleben und an diese weiterreichen. Oder es folgt der Versuch der Kinder und Jugendlichen zu revoltieren, was dann schnell als negative Auffälligkeiten in unserer Gesellschaft bezeichnet wird und letztlich zu einem Kreislauf führt. Ronald Lutz hat auch für diese Situationen eine Bezeichnung: „soziales Burnout“.

Dies wird auch durch die schlichte Tatsache verstärkt, dass sich das soziale Umfeld, der Austausch und die Begegnung in aller Regel auch aus dem gleichen sozialen Milieu zusammensetzen. Statistisch würden dies nur diejenigen Hartz IV-Empfänger*innen aufbrechen, die einen höheren Bildungsabschluss haben und dementsprechend auch in der Lage sind, andere Umgangswege mit Armut zu entwickeln.

 

Politische Ursachen

Derzeit erleben wir, wie wissenschaftsbasiert Politik Entscheidungen trifft, politischer Alltag ist derzeit eng verwoben mit wissenschaftlichen Einschätzungen oder gar Ergebnissen. Dieses Bild auf den Aspekt der Armut übertragen legt die Unterstellung nahe, dass bei all den vorhandenen wissenschaftlichen Forschungsergebnissen und konkreten Hinweisen der Wohlfahrtsverbände und anderer großer kindheitsorientierten Organisationen doch dieser Aspekt der vorhandenen Benachteiligung politisch lösungsorientiert beantwortet wurde und wird.

Doch seit vielen Jahren werden Armutsberichte und Fachpublikationen herausgegeben und es lässt sich nur schwer ein deutlicher positiver Trend herauslesen. Prof. Lutz verstärkt das Bild, da er die Auffassung vertritt, dass Armutsfragen politisch nie entschieden genug aufgegriffen wurden und auch die heutige zur Verfügung gestellte Grundsicherung nicht armutsfest ist. Er verdeutlicht dies an zwei Beispielen: den Niedriglohnjobs und dem Bildungssystem. Deutschland habe auch im europäischen Vergleich lange zugelassen, dass es einen sehr hohen Anteil an prekärer Beschäftigung, also bspw. Niedriglohnjobs und die sogenannte Aufstockung gibt. Und wenn Eltern weniger Geld von der Arbeit mit nach Hause bringen, hat dies ganz praktische Auswirkungen darauf, wie dieses zu Hause aufgestellt ist und wie der Alltag eines jungen Menschen von den Eltern gestaltet werden kann.

Des Weiteren ist Bildung die entscheidende Ressource, um Wege aus der Armut zu entwickeln. Dies betrifft gleichermaßen schulische wie außerschulische Bildungsorte und deren Ausstattung, beginnend mit dem baulichen Zustand der Bildungsorte, den Personalschlüsseln bis hin zu den Bildungsmaterialien, der Digitalisierung und der finanziellen Grundausstattung. Zudem ist das deutsche Bildungssystem weiterhin sehr selektiv. Wie wichtig Bildungserfolge sind verdeutlicht, dass Kinder von Eltern mit sog. oberen Bildungsabschlüssen bessere Entwicklungen im Lesen, der Wortwahl oder der Bildbetrachtungen verzeichnen. Dem Bildungssystem ist demnach eine gesellschaftlich begründete entscheidende Aufgabe zuzuordnen, damit allen Kindern diese Entwicklung möglich wird.

 

Corona – und die Schere der sozialen Ungleichheit geht weiter auf

Weshalb erreichen nun die Entwicklungen in Folge der Corona-Pandemie diese gesellschaftlich armen Milieus besonders intensiv? Die Nationale Armutskonferenz macht darauf aufmerksam, dass arme Menschen vor allem auf beengten Wohnraum miteinander leben. Das erhöhe die Wahrscheinlichkeit der Infektion. Hinzu kommt, dass mittlerweile viele Anlaufstellen für Menschen in finanzieller Not ihre Arbeit einstellen mussten. Wenn das Essen nicht mehr bei der Tafel gekauft werden kann, muss für die Verpflegung in der Folge von dem wenigen vorhandenen Geld ein höherer Anteil in klassischen Lebensmittelgeschäften ausgeben werden. Es entsteht eine vollständige komplette Abhängigkeit von den staatlich zur Verfügung gestellten Regelsätzen.

Die meisten Jobs zum Aufstocken der Grundsicherung sind derzeit nicht möglich, auch die Schattenwirtschaft (Schwarzmarkt) dürfte größtenteils zum Erliegen gekommen sein. Das Deutsche Kinderhilfswerk beziffert allein im Fall der Tafeln 500.000 betroffene Kinder und Jugendliche und fordert daher wie auch zahlreiche andere Akteure, eine unbürokratische Aufstockung des Regelsatzes um 100,00 €. Denn insbesondere armen Elternhäusern entstehen durch die Schließlungen von Kitas und Schulen konkrete finanzielle Nachteile.

So entfielen die kostenlosen warmen Mahlzeiten an den Schulen, die nun zu Hause nicht nur mitgekocht, sondern eben mitfinanziert werden müssen. Oder der Grundversorgung zuzuordnende Produkte haben sich aufgrund der Hamstereinkäufe verteuert, was ein Problem für Haushalte darstellt, in denen schon vor Corona mit jedem Euro sehr genau gerechnet werden musste und in denen keine Rücklagen gebildet werden konnten. Was genau dies im „Corona-Alltag“ der jungen Menschen und der Eltern bedeutet wird im Gespräch mit Olaf Boye, Geschäftsführer des Deutschen Kinderschutzbundes Landesverband Sachsen sehr anschaulich. Die einzelnen Beratungsstellen beschreiben, dass sie nur noch aus der Distanz helfen können, denn die aufsuchende Familienhilfe oder das ehrenamtliche Engagement werden bislang durch die politisch vorgenommenen „Corona-Regelungen“ unterbunden.

Die konkrete fachliche Begleitung von Betroffenen muss sich aktuell wandeln in unterschiedliche Hilfeversuche, die Kinder sowie Eltern z.B. mit „Tipps und Tricks im Umgang mit Corona und den Folgen“ im Internet und weiteren digitalen Kommunikationskanälen oder am Beratungstelefon zu erreichen. Oft leben im armen Milieu die Menschen in kleineren Wohnungen, nicht selten in beengten Wohnverhältnissen. Hier entstehen durch die richtiger Weise vorgenommenen Schul- und Kitaschließungen stärkere Umgewöhnungsnotwendigkeiten im Umgang miteinander, sich einander zuzuwenden sowie aufeinander einzustellen ist noch einmal schwerer als für Menschen, die sich in ihrem Wohnraum auch schlicht einmal aus dem Weg gehen können.

Das oben beschriebene Phänomen der Erschöpfung weitet sich aus. Denn nun kommt bei vielen der existentielle wie auch psychische Druck aus der Sorge um den Arbeitsplatz in Folge der Corona-Pandemie hinzu. Angst führt immer auch zu Stress und empfundenen Druck, diese wiederrum erhöhen bereits jetzt Streitigkeiten bis hin zu Gewalttaten in den eigenen vier Wänden. Und da die soziale Teilhabe in Kita und Schule derzeit fehlen, Ausgangsbeschränkungen ebenfalls das Bleiben in den eigenen Wohnverhältnissen forcieren, sind junge Menschen nun stärker auf ihr eigenes soziales Umfeld zurückgeworfen. Kinderschutzverbände wie auch Wissenschaftler*innen schlagen bereits seit Wochen Alarm und deren Besorgnis lässt nichts Gutes ahnen.

Prof.‘in Dr.‘in Nina Weimann-Sandig von der Evangelischen Hochschule Dresden bringt im Gespräch die Auswirkungen der geschlossenen Bildungsorte auf den Punkt: „Nun sind viele Eltern in der Lage ihren Kinder gegenwärtig zu helfen, zu unterstützen, zu trösten. Viele sind es aber eben auch nicht. Nicht, weil sie nicht wollen, sondern weil sie schlichtweg nicht können!“

Im Gespräch verweist sie darauf, dass es sich auch in der aktuellen Krise zeigt, dass sich Ressourcenunterschiede mit Blick auf die Bildungsungleichheit von Kindern und Jugendlichen noch verschärfen. Die Beispiele der Wissenschaftlerin Weimann-Sandig sind die gleichen, die auch der Praktiker Boye ausführt: plötzlich sind Eltern wie auch junge Menschen gezwungen, für sich allein einen strukturierten Tagesablauf zu entwickeln, den es so aber sonst nicht gibt und für den auch keine Erfahrungen vorliegen. Wie sollen sie umgehen mit dem vielen Unterrichtsstoff? Wie sollen sie umgehen mit dem vielen Unterrichtsstoff gegenüber den Kindern, wenn Eltern diesen selbst kaum verstehen? Und wie sollen sie umgehen mit dem vielen Unterrichtsstoff, wenn für dessen Bearbeitung bspw. Computer und Drucker notwendig sind. In der Schule gab es eine Druckkostenpauschale, die zur Not der Förderverein übernommen hat.

Doch zu Hause gibt es nun auch noch bei mehreren Kindern mit hoher Sicherheit nicht mehrere Computer, an denen die Kinder gleichzeitig lernen und arbeiten können, ganz abgesehen von den Mehrkindzimmern, die das ruhige Lernen erschweren. Und sollten Computer vorhanden sein, dann ist noch nicht sichergestellt, dass es einen (angemessenen) Internetzugang gibt oder die Eltern kompetent im Medienumgang sind. Boye wie auch Weimann-Sandig verweisen beide darauf, dass Defizite vor allem dann entstehen, wenn junge Menschen beim Lernen abgehangen werden. Und schon jetzt gehen beide davon aus, dass sich hier nach der Wiederöffnung der Bildungsorte Folgeprobleme in den materiell armen Milieus ergeben, auch wenn der Lernstoff wiederholt werden sollte. Denn was für Lehrer*innen im Schulalltag bereits eine Herausforderung darstellt, ist es für sie im Corona-Alltag auf jeden Fall: wie können sie den unterschiedlichen Ressourcen der Elternhäuser im Bildungsalltag gerecht werden?

Was Weimann-Sandig und Boye auch Sorgen bereitet sind die fehlenden Bewegungsmöglichkeiten durch Ausgangsbeschränkungen oder gesperrte Spielplätze, denn (nicht nur) junge Menschen benötigen Bewegung. Auch der konkrete Umgang miteinander, mit dem Freundeskreis oder der Schulklasse reduziert sich auf vor allem auf die Online-Kommunikation, was für ein gelingendes Miteinander sowohl ein Defizit ist und für die Betroffenen auch ein nicht zu unterschätzender Verzicht. Prof. Ronald Lutz verstärkt diese Beobachtungen. Er befürchtet durch die derzeit fehlenden sozialen und kulturellen Anregungen eine Zunahme der Erschöpfung bis hin zur Traumatisierung, denn arme junge Menschen erleben derzeit viel intensiver, wie reduziert ihre Möglichkeiten und wie chancenlos sie selbst sind. Vieles, was die schulischen und außerschulischen Bildungsorte zuletzt aufgefangen haben, könnte in Folge der Corona-Phase wieder verloren gegangen sein.

Dieser Abschnitt zu den aktuellen Entwicklungen unterstreicht, dass das notwendige Wissen und die dazugehörigen Erfahrungen vorhanden sind. Offen bleibt, ob und wie darauf politisch und gesellschaftlich reagiert wird.

 

Und nach Corona?

Die Folgen der Corona-Pandemie erreicht alle, wenn auch unterschiedlich und es wird sich vieles verändern. Lutz ist der Auffassung, dass sich anschließend die Gesellschaft zunächst stabilisieren muss. Die sozialen Problemlagen werden sich nach Corona-Pandemie ausgeweitet haben und mehr Menschen in der Folge bspw. durch Arbeitsplatzverluste betroffen sein. Und er warnt davor, in der Sozialen Arbeit, der Kinder- und Jugendhilfe finanzielle Einschnitte vorzunehmen. Er formuliert die Sorge, dass letztlich mehr Soziale Arbeit notwendig sein wird.

Es wird eine neue Priorisierung notwendig werden, denn wie wichtig die systemrelevanten Berufe der Sozialen Arbeit, aber auch die schulischen und außerschulischen Bildungsorte sind, offenbart die derzeitige Krise. Und die notwendige Debatte darüber müsse öffentlich deutlich wahrnehmbar geführt werden. Völlig befremdet zeigt er sich darüber, dass bereits jetzt das Gegenteil zu beobachten ist: derzeit werden von Kommunen Verträge mit sozialen Trägern der Familienhilfe gekündigt, da diese ja derzeit nicht stattfinde. Somit geht bereits jetzt Fachpersonal verloren und verschwinden bereits jetzt Strukturen, obwohl der Bedarf derzeit vorhanden ist und bald mehr denn je notwendig sein wird.

Nina Weimann-Sandig thematisiert noch einmal als einen essentiellen Baustein ein notwendiges Inklusionsprinzip zur Förderung von Bildungsgleichheit an Schulen, flankiert von einer umfassenden und auch umgesetzten Digitalisierungsstrategie, um den bestehenden sozialen Ungleichheiten entgegenzuwirken. Und Olaf Boye verweist exemplarisch auf die Allgemeinen Sozialen Dienste bei den Jugendämtern, für die schon lange bundesweit eine Personalaufstockung gefordert wird. Doch Boye formuliert auch Zuversichtliches: der vor wenigen Tagen verabschiedete Erlass des Sächsischen Staatsministeriums für Finanzen in Zusammenarbeit mit dem Sächsischen Staatsministerium für Soziales wurde von den meisten Trägern der Kinder- und Jugendhilfe als hilfreich im Umgang mit den Folgen der Corona-Pandemie wahrgenommen und zeigt, dass der Blick der Politik nicht bei den Schulen endet.

Zudem haben die Träger in den letzten zwei Jahren deutlich von den politischen Akteuren signalisiert bekommen, dass sie wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Teilhabe sind. Eine auskömmlich finanzierte Soziale Arbeit wurde zunehmend gleichwertig in die Klaviatur aller Bereiche eingeordnet. Das vorhandene Wissen und die bestehenden Erfahrungen zeige, dass Soziale Arbeit eben keine freiwillige Aufgabe sei, die sich ausschließlich mit Prävention befasst. Soziale Arbeit leistet einen aktiven Beitrag zur Gesundung der Finanzierung der Bundesrepublik wie auch des Freistaates Sachsen, indem junge Biografien gestärkt werden, um sie später weniger stützen zu müssen. Es wäre fatal, wenn das Gewordene zurückgefahren wird.

Die tatsächliche soziale Schwäche – oder Stärke

Zur Erinnerung: je nach Region ist jeder vierte bis fünfte junge Mensch von einer armen Lebenslage betroffen. Wieder einmal zeigt sich, dass eine wirksame Bekämpfung der Armut keinesfalls allein von den Betroffenen selbst bewältigt werden kann, sondern dass es Veränderungsbedarf gibt. Der Umgang mit armen Menschen ist nicht nur eine demokratische, es ist auch eine ethische Frage. Nimmt unsere Gesellschaft das Vorhandensein von Armut weiter hin oder orientiert sie sich an den Schwachen, und nicht am Aufstieg einzelner Milieus? Darüber hinaus wird deutlich, dass selbst das Argument, Armut sei eine selbstgewählte Lebenslage, in die falsche Richtung führt. Junge Menschen können sich ihre Lebenslage nicht auswählen. Damit sie eine arme Lebenslage hinter sich lassen können, benötigen sie aber vielfältige Begleitung, Unterstützung und Stärkung, auch im Interesse für die noch kommende Folgegeneration. Ob unsere Gesellschaft dies verstärkt zulässt, wird sich als die tatsächliche soziale Schwäche – oder Stärke erweisen.

 

 

Danksagung

Für einen Gedankenaustausch in Vorbereitung dieses Beitrages möchte ich mich bei Olaf Boye, Nina Weimann-Sandig und Ronald Lutz bedanken.

Quellen

Der Text im pdf-Format:

Von wegen sozial schwach

 

Christine Schmidt auf Pixabay

Beteiligen Sie sich an der Diskussion

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.